Wieder einmal veröffentlich managerseminare in seiner aktuellen Ausgabe 1/2017 eine interessante Studie der Manpower Group. Demnach streben nur 13% der befragten 20-34jährigen eine Führungsposition an. Offenbar ist der Status Führungskraft für junge Menschen heute bei weitem nicht mehr so wichtig.
Das wirft allerdings die Frage auf, ob uns neben dem schon in weiten Teilen Realität gewordenen Fachkräftemangel nun bald auch noch ein Mangel an Führungskräften droht? Oder brauchen wir vielleicht gar nicht mehr so viele Führungskräfte, weil moderne Organisationsformen mit deutlich weniger oder gar ohne Führungskräfte auskommen? Da vermag ich keine sichere Prognose aufzustellen und überlasse das lieber den Zukunftsforschern.
Quelle: managerseminare 1/2017
Noch interessanter erscheint mir die Frage, warum die Generation Y nicht mehr führen will? Offenbar haben andere Prioritäten noch deutlicher Platz gegriffen als ohnehin schon. Die Zusammenarbeit mit tollen Menschen liegt in der Umfrage klar vorn. Dazu aber gibt es heute viele virtuelle Formen der Zusammenarbeit und auch Projektarbeit dominiert immer mehr. Matrixorganisationen (mit all ihren Nachteilen!) lösen die klassischen Führungshierarchien immer mehr ab. Das bietet viele neue und interessante Jobs auf Zeit und wechselnde interessante Herausforderungen. Und wenn viel Geld verdienen auch so prominent vertreten ist, dann kann das einerseits bei jungen Menschen ja nicht verwundern, andererseits legt es aber auch den Trend zu mehr Fokus auf das eigene Wohlergehen nahe. Das ist nicht verwerflich, aber auch ein Indikator des aktuellen Wandels.
Ich glaube, ohne Führungskräfte wird es auch in Zukunft nicht gehen – egal, ob wir vielleicht ein paar weniger brauchen. Warum aber ist Führung offenbar für Generation Y keine reizvolle Aufgabe? Dazu ein paar Thesen über deren Diskussion ich mich freuen würde:
Es mangelt in vielen Institution und Unternehmen an einer strukturierten Führungskräfteausbildung. Fachliche Fertigkeiten kann ich erlernen, im Job vertiefen und mich durch Schulungen weiterbilden. Das schafft mir Sicherheit. Führung? Da werden die meisten Menschen immer noch “ins kalte Wasser geschmissen” und müssen sehen, wie sie klar kommen. Erst kürzlich sagte in einem Teamworkshop eine langjährige Führungskraft einer Kommune, die mit Ihrem Team große Probleme in der Zusammenarbeit hatte: “Ich kann das auch nicht, woher denn? Dazu habe ich nichts gelernt, ich bin Juristin.” Dass diese Dame, über 50 und seit vielen Jahren in leitender Position, lieber Fachthemen bearbeitet und auch ihre jungen Nachwuchskräfte den Eindruck gewinnen, Führung, wie sie sie gerade erleben, kann keine reizvolle Aufgabe sein, das darf uns doch nicht wundern.
Geführt wird oft aus falschen Motiven – meist des Geldes wegen. Nach wie vor kenne ich viele Unternehmen und Institutionen, in denen gewisse Gehaltsklassen nur mit Führungsaufgaben zu erreichen sind. Dann aber wird aus den falschen Motiven heraus geführt, ohne inhaltliche Motivation und zumeist ohne Freude an der Arbeit mit Menschen mit all ihren Ecken und Kanten. Eine gute Analyse, wer wirklich führen will und dann auch Spaß daran hat, wäre hilfreich und würde wahrscheinlich dazu führen, dass wir alle viele bessere und engagierte Führungskräfte mit mehr Freude an der Arbeit erleben würden. Dann aber müssen hohe Gehälter eben auch in Spezialistenfunktionen zu erreichen sein, denn sonst zieht es weiterhin die falschen in die Führung.
Ich glaube außerdem, dass viele junge Menschen nicht führen wollen, weil sie Angst haben, mit den daraus resultierenden Problemen allein gelassen zu werden. In vielen Fällen erlebe ich in meiner Arbeit kein ausreichendes Engagement bei der Begleitung von jungen Führungskräften bei Führungsproblemen. Fachthemen, ja dafür finden diese immer einen Ansprechpartner. Aber Führungsthemen? An wen soll ich mich da wenden? An den eigenen Chef – keine Zeit, trau ich mich nicht, will ja keine Schwäche zeigen oder “ausgerechnet an den”? An Kollegen auf der gleichen Ebene? Oftmals besser nicht, wer Schwäche zeigt hat gleich verloren und besser können die es auch nicht. An einen Externen? Kein Budget! So fühlen sich viele allein gelassen und haben Angst an Ihren Problemen zu scheitern – und bevor sie dieses Risiko eingehen, führen sie lieber nicht.
Schließlich glaube ich, es fehlt vielen jungen Menschen gerade in der Führungsaufgabe an Anerkennung. Das fängt schon bei Zeit für Führung an. Noch immer (obwohl es einen klaren Trend zur Besserung gibt) erlebe ich viele Institutionen, in denen Führung quasi nebenbei zu erledigen ist. Es dominieren die Fachaufgaben – Zeit für Führung? Muss ich mir nehmen, oder auch nicht… . Führung als Beruf – ja, das gibt es inzwischen, aber noch lange nicht überall. Führungskräften die Zeit zuzugestehen, die gute Führung nun mal braucht, das hat was mit Anerkennung zu tun. Und wer ist “dran”, wenn die Ergebnisse nicht stimmen? Na klar, die Führungskräfte, so dass ich immer noch viel zu oft die Worte “Druck” und “Sandwichposition” höre. Solange das aber der Sprachgebrauch ist, was soll junge Menschen motivieren, sich – um im Bild zu bleiben – ausquetschen zu lassen? Anerkennung könnte natürlich auch von den geführten Mitarbeitern kommen, aber auch das passiert eher selten. Also warum führen? Ohne dass wir den Stellenwert unserer Führungskräfte erlebbar verändern, ist die Antwort schwer.
Es gibt sicher viele weitere Thesen, die man aufstellen könnte, doch dabei möchte ich es belassen. Ich freue mich auf ein Diskussion, denn diese spannende Thema ist eine der vielen Herausforderungen der nächsten Jahre.