Verdi hat angesichts der im Herbst beginnenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst mehr als 210000 Beschäftigte befragt. Wenn Sie die Wahl hätten, zwischen mehr Gehalt oder kürzeren Arbeitszeiten, wie würden Sie sich entscheiden?
57% würden lieber kürzere Arbeitszeiten wählen!
Das Ergebnis überrascht nicht, sondern liegt vielmehr wieder einmal voll im Trend! Weder ist Gehalt ein geeigneter Motivator für mehr Arbeitszufriedenheit, noch sind die Beschäftigten bereit, der Arbeit alles unterzuordnen. Mehr Freizeit und eine zunehmend klare Trennung von Arbeit und Freizeit – ein Trend, den wir immer deutlicher beobachten.
Der öffentliche dienst macht offenbar keine Ausnahme.
Ich vermute, dass uns Generalisierungen nicht weiter helfen. Für die hier beschriebene Bevorzugung von „mehr Freizeit“ sind auch die Rahmenbedingungen mit entscheidend. Etwa das vorhandene Lohnniveau und vor allem die Beschäftigungssicherheit. Auch dürfte entscheidend die Frage der innerbetrieblichen Mitbestimmung eine Rolle spielen. Denn wer will mehr Freizeit, wenn als Folge, schwupp-die-wupp, die Arbeitsverdichtung grösser wird. Jemand, der ohne Rückendeckung eines Betriebsrats, ohne grosse Arbeitsplatzgarantie und auf niedrigem Lohnniveau „malocht“ (solche Arbeitsverhältnisse soll es ja auch recht zahlreich geben), der wird dem Trend/Durchschnitt nicht folgen können. Unser alter Johann Wolfgang Goethe, zeitweise auch Staatsbeamter, soll dazu einmal gesagt haben: „Ein Pferd läuft auch nicht schneller, wenn man ihm einen goldenen Zügel anlegt.“ Er war im höheren Dienst besoldet. Im Übrigen dürften gerade wegen der Leistungsverdichtung längere Zeiten der Erholung wichtiger werden. Das Lohnniveau, insbesondere das familiär zur Verfügung stehende Einkommen, dürfte bei den Abwägungen entscheidend sein. Insofern ist die vorgetragene Generalisierung eine gelegene Aufforderung im Detail zu schauen, ob sie auch in dieser oder jener Branche und für diese oder jene Beschäftigungsgruppe zutrifft. Zuletzt stellt sich die Frage, wie verdi das umsetzt. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich (wg gestiegener Produktivität) wäre denkbar, ist aber bei der Fragestellung schön beiseite gelegt. Gesamtgesellschaftlich haben wir mehr Arbeitszeit zur Verfügung als Arbeit, was dazu die Frage nach genereller Arbeitszeitverkürzung aufwirft. Fragen über Fragen und viel zu selten dazu grundsätzliche Debatten. Danke für den Stein, den Sie ins Wasser geworfen haben.