„Das haben wir immer schon so gemacht.“
Diesen Satz kennen Sie sicher auch und vielleicht geht es Ihnen genau wir mir, Sie müssen erstmal schlucken. Es ist dieses Totschlagargument mit dem immer wieder ohne wirklichen Inhalt argumentiert wird. Verlässt man jedoch die Oberfläche dieses Satzes und schaut etwas tiefer, dann steckt doch so viel mehr dahinter.
Mir begegnete dieser Satz das letzte Mal bei der Zusammenarbeit mit Klaus, technischer Leiter eines Geräteherstellers. Wir sprachen über Arbeitsabläufe, die er gerne verändern wollte und schließlich fiel auf die Frage, warum der Prozess so ist, wie er ist, der markante Satz.
„Was für ein grandioses Argument“, sagte ich bewusst provozierend und meine Provokation wirkte wie beabsichtigt. „Nein, nein, so meine ich das nicht…“, sprudelte es aus Klaus heraus und er zählte zahlreiche gute Argumente auf, warum man es bisher „so“ gemacht hatte.
Da war zunächst der kompetente Kollege, der immer dafür gesorgt hatte, dass die Qualität des Produktes stimmte. Da waren die intensiven Diskussionen in großen Runden, die immer zu guten Ergebnissen geführt hatten. Es waren auch die vielen zufriedenen Kunden, die in der Vergangenheit das Produkt gekauft und gelobt hatten. Und es war nicht zuletzt der Chef, der immer schützend die Hand über sie gehalten hatte, wenn mal etwas schiefgelaufen oder doch ein Kunde unzufrieden war.
Plötzlich war es also ein vollkommen anderes Gespräch, welches nichts Oberflächliches mehr hatte. Es waren die neuen Arbeitsformen, die die Corona-Pandemie mit sich gebracht hatte, welche die altbewährten Abläufe erschüttert hatten. Der kompetente Kollege war nicht mehr so greifbar und hatte viele neue Aufgaben übernehmen müssen. Die intensiven Diskussionen funktionierten im virtuellen Raum nicht mehr und waren oberflächlich geworden. Die Kunden stellten neue Anforderungen an das Produkt, die man auf die Schnelle nicht erfüllen konnte. Kurz um – alte Abläufe und das bewährte Produkt passten nicht mehr in die Zeit.
„Ok verstanden, Zeit für Neues!“, warf ich freudig ein, doch Klaus war in sich zusammengesunken, ohne Energie und schaute mich skeptisch an. „Auch bei mir passt dann nichts mehr, ich muss mich… verändern.“, sagte er zögerlich. Das hatte ich schon geahnt, doch er hatte es jetzt ausgesprochen.
Der Satz am Beginn dieses Impulses könnte also auch lauten: „Das habe ich immer schon so gemacht.“ Nachdem das jetzt ausgesprochen war, konnte wir damit arbeiten. Wir sprachen über die Herausforderungen, vor denen Klaus stand. Er musste neue Techniken der Kommunikation erlernen, er sollte mehr Verantwortung übernehmen, er kam nicht besonders gut mit dem Homeoffice und der damit verbundenen Isolation zu recht. Jetzt hatte unsere Arbeit nichts oberflächliches mehr, sondern sehr viel Tiefgang. Es ging um Ängste, um Befürchtungen, um fehlende Kompetenzen, um Veränderungsbereitschaft und Erwartungen – Erwartungen, die Klaus an sich selbst hatte und solche, von denen er glaubte, dass seine Kollegen sie an ihn haben könnten. Tiefgang pur.
Zwei Sitzungen später hatten wir alle Themen bearbeitet und Klaus sagte: „OK, ich bin bereit. Anpacken, neugestalten, andersmachen und weiterhin erfolgreich sein.“ Ein wunderbarer Moment in einem Prozess, der scheinbar mit einer echten Plattitüde begonnen hatte.
In einem besonderen Adventskalender, den ich seit zwei Jahren von einer guten Freundin geschenkt bekomme, las ich in einem Gedicht eine Zeile, die mich an dieses Erlebnis mit Klaus erinnert hat:
„Bleibe formbar, damit Du nicht verhärtest.“
Unsere aktuelle Zeit erfordert dieses „formbar bleiben“ von uns allen mehr denn je. So viele Arbeitsabläufe sind gerade im Umbruch. Viele Formen langjährig bewährter Zusammenarbeit stehen auf dem Prüfstand. Veränderungen haben schon in den letzten Jahren immer mehr zugenommen und sich beschleunigt. Trotzdem – in vielen Bereich erleben wir gerade nochmal einen zusätzlichen Schub. „Formbar bleiben“ – das klingt für mich mehr denn je nach einer Schlüsselkompetenz für unsere Zukunft.
Doch in dem Zitat steckt noch mehr, denn wir sollen ja auch nicht „verhärten“. Manchmal sind wir vielleicht schon weiter in unserem Veränderungsprozess und es fällt uns schwer zu verstehen, warum der oder die andere noch zögert, hadert oder die Veränderung sogar ablehnt. Dann tendieren wir zu harten Urteilen, obwohl, wie wir bei Klaus gesehen haben, sehr oft anerkennenswerte Bedürfnisse hinter dem Verhalten der betreffenden Person stehen. Mit weniger Härte kann man dann auch als Kollege/in viel besser die Hand reichen und den anderen mitnehmen.
Nun Sie:
Was haben Sie schon immer so gemacht – beruflich aber vielleicht ja auch privat?
In welchem Bereich stehen Sie aktuell vor Veränderungen und was lösen diese bei Ihnen aus?
Wie möchten Sie sich verändern, um auch weiterhin erfolgreich zu sein?
Veränderungen werden uns auch zukünftig mit Sicherheit begleiten, selbst wenn wir uns manchmal wünschen würden, dass doch jetzt einfach alles so bleiben könnte, wie es ist. Stillstand ist selten geworden und vielleicht ja auch gar nicht wünschenswert. Veränderungen sind herausfordernd und anstrengend, aber sie sind immer auch eine Chance.
Wie auch immer: Bleiben Sie formbar!
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!