Der MP Impuls zur Selbstreflexion vom 11.09.2021

Olympische Spiele haben schon viele Geschichten geschrieben, spannende, glückliche und tragische. Auch Tokyo 2021 liefert solche Geschichten.

Es ist das Finale der Vielseitigkeitsreiter, die an drei aufeinanderfolgenden Tagen Dressur, Gelände und Springparcours zu bewältigen haben: Große Herausforderungen für Mensch und Tier. Die letzten Reiter im finalen Springen starten in umgekehrter Reihenfolge, der bzw. in diesem Fall die Führende also als Letzte. In der langen olympischen Geschichte des Reitens hat noch nie eine Frau die Goldmedaille im Einzel der Vielseitigkeit errungen. Die führende vor diesen letzten 9 Hindernissen, welche die olympischen Parcoursbauer den Reitern und Pferden in den Weg gestellte haben, ist Julia Krajewski, Deutschland. 9 Hindernisse mit 12 Sprüngen, die gleich über die Medaillen nach drei harten Tagen entscheiden werden und die Abstände in der Spitze sind minimal.

Showdown: Tom McEwen ist im Parcours und der Mannschaftsolympiasieger mit Team Großbritannien macht es gut, er geht in Führung. Als die Stimme des Stadionsprechers durch die Arena hallt „ Julia Krajewski, Germany“ ist klar: Für die Goldmedaille darf sie sich keinen Springfehler leisten, ein paar Zeitfehler schon, aber was heisst das schon. Ein Fehler ist einer zu viel.

Ohne Zuschauer ist auch am Fernseher die Spannung im Stadion noch deutlicher spürbar, man hört jeden Galoppsprung des Pferdes, jedes tuschieren einer Hindernisstange. Selten habe ich einen Kommentator erlebt, der so emotional mitgegangen ist, auch er spürte wohl, dass er Historisches kommentiert.

Es sind noch zwei Steilsprünge zu gehen, Krajewski ist fehlerfrei, zwei Sprünge zu Gold und es passt alles, sie ist im Ziel – Gold für Deutschland und zum ersten Mal in der olympischen Geschichte Gold für eine Frau in der Vielseitigkeit. Die Emotionen nehmen Ihren Lauf, der Jubel ist groß.

Doch der für mich bemerkenswerteste Moment, der den Kern dieses Impulses bildet, steht noch bevor. Es ist nur ein kleiner Augenblick und doch so ein großartiger Moment.

Als Julia Krajewski den Parcours verlässt und sich der Schranke nähert, hinter der die ersten Gratulanten bereits warten, erkennt man am Bildrand einen Mann mit Reitkappe und der Flagge Großbritanniens auf dem Ärmel. Es ist Tom McEwen, der Brite, der gerade die Goldmedaille an Julia Krajewski abtreten musste. Er ist der erste Gratulant! Was für eine Geste, ein großartiger Moment!

Das ist die wahre Größe eines Champions, die wir hier zu sehen bekommen. Der Sport ist so oft gnadenlos, es kann nur einer gewinnen. In einem solchen Moment nicht zu hadern und nicht nach Ausreden zu suchen, warum es nicht geklappt hat, sondern einfach die Leistung des Anderen anzuerkennen, das ist Größe. Sich ehrlich mit dem anderen zu freuen – fantastisch. Wer wüsste besser als der direkte Konkurrent, welche Leistung in diesem Moment gerade vollbracht wurde, wieviel Training und Fleiß und welche Nervenstärke zusammenkommen müssen, für den großen Triumph. Freude zu teilen ist großartig.

Es auch der Moment, in dem man spürt, dass McEwen sich – völlig zu Recht – nicht als Verlierer sieht. Er hat Silber gewonnen, nicht Gold verloren. Es war nur eine besser, so wertet er auch seine Leistung nochmals auf – so soll es sein.

So sehr die großen Sieger oft und zu Recht im Rampenlicht stehen, für mich sind es diese kleinen Momente, die Olympia so einzigartig machen.

Können Sie das auch, sich ehrlich mit einem anderen freuen, selbst wenn sie vielleicht gerade verloren haben?

Erkennen Sie die Leistungen anderer bedingungslos an?

Falls Sie darüber noch nie nachgedacht haben, lade ich Sie dazu ein, es lohnt sich. Nicht umsonst lautet eine alte Weisheit im Sport: In der Niederlage zeigt sich wahre Größe!

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!

Der MP Impuls zur Selbstreflexion

Als ich das übergroße Buch zuschlug, hielt ich es noch viele Minuten in der Hand. Ich saß auf meiner Terrasse in der Abendsonne und hatte mehr geblättert als gelesen. Es war ein Bildband, den ich in den Händen hielt und der ohnehin spärliche Text war zweitrangig. Die Bilder sollten beim Leser, oder in diesem Fall besser Betrachter, Wirkung entfalten und jedenfalls bei mir taten sie es. Es war ein Bildband der 10 Jahre dauernde Expeditionen zusammenfasste auf den Spuren der letzten Schneeleoparden, die noch auf der Welt leben. Das Team um den bekannten Tierfotografen Vicent Munier war unterwegs in Tibet, so gut wie nie unterhalb von 4000 Höhenmetern. Die Landschaften auf den Bildern muteten unwirklich an, bizarre Felsen, die Kälte vor Ort war sichtbar in Eis und Schnee: Tagsüber -20 Grad Celsius, nachts bis -35 Grad Celsius. Es fühlte sich komisch an, aber die Bilder machten die Kälte sogar spürbar, hier im Hochsommer in Deutschland.

Ich hatte ein Buch (Syvain Tesson, Der Schneeleopard) über diese Expeditionen gelesen und war dadurch auf diesen Bildband gestoßen. Die Bilder waren großartig, sie zogen mich in ihren Bann. Die skurrilen Landschaften, das Eis und die Leere, die auf vielen Bildern zu sehen war. Kein Vergleich mit der dichten Bebauung bei uns, selbst wenn Sie ein kleines, weitläufiges Dorf als Vergleichsmaßstab nehmen. Und schließlich die Schönheit der Tiere, allen voran des Schneeleoparden. Er wirkte majestätisch, erhaben und bildschön. Doch auch die anderen Tiere strahlten Schönheit aus, obwohl sie im klassischen Sinne gar nicht unbedingt schön sind, wobei in besonders an die mächtigen Yaks denke. Wilde, zottelige Büffel mit großen Hörnern – schön sind die eigentlich nicht. Doch sind sie, es ist alles eine Frage des Betrachtungswinkels.

https://bigcatfacts.net/snow-leopard/ 

Da saß ich nun also und was war es, das gerade mit mir geschah? Ich hatte den mächtigen Bildband immer noch auf meinen Beinen liegen, meine Gedanken waren noch immer in Tibet, einem Land, dass ich persönlich nie zu Gesicht bekommen werde und über das ich so wenig weiß.

Erst heute, etwa zwei Wochen später, wird mir klar, was in diesen Minuten wirklich geschah – ich genoss die Schönheit der Natur. „Aber kann man den Schnee, das Eis und einzelne Tiere in skurriler Landschaft genießen?“, fragen Sie sich gerade. Ja, ich konnte das, genau in diesem Moment. Ich war frei im Kopf, müßig in der Zeit und bereit zu reisen mit allen Sinnen in eine andere Welt, die Natur genießend.

Genuss, das ist das „Zauberwort“ in diesem Impuls, denn ich erlebe so viele Menschen, die nicht mehr genießen können. Unsere Zeit ist so hektisch und schnelllebig geworden, die Themen wechseln permanent, die Katastrophen sind so bedrohlich geworden, es ist immer etwas zu tun. Für Genuss bleibt da oftmals keine Zeit.

Genießen ist etwas Wundervolles, es tut uns gut, es wärmt die Seele. Immer wieder frage ich meine Klienten: „Was tut Dir gut, was kannst Du genießen?“ Es macht mich glücklich, wenn ich spüre, dass da spontane, ehrliche Antworten kommen, Antworten aus dem Innersten heraus. Dann weiß ich, da ist jemand auf einem guten Weg, meine Coachingmaxime zu erreichen: Ich möchte Menschen zufriedener und dadurch auch erfolgreicher machen. Doch immer wieder schauen mich zwei Augen fragend an, als hätten sie meine Frage nicht verstanden und mein Gegenüber murmelt: „Tja, was tut mir gut…?“

Viele von uns haben leider verlernt, zu genießen. Sie sind nicht mehr bei sich, sondern ständig irgendwo anders, getrieben von Themenvielfalt, Sorgen, Aufgaben, eigenen und fremden Ansprüchen und vielem mehr. Doch genießen kann man nur bei sich und für sich, zuerst muss man wissen, was es ist, das einem gut tut, dann kommt der Genuss.

Auch ich konnte früher nur schlecht genießen, für mich galt alles, was oben geschrieben steht. Ich war getrieben, selten oder nie wirklich bei mir, mein Kopf arbeitete immer, die Seele „baumelte“ nie, Genuss kannte ich nicht wirklich. Ich habe es gelernt und Sie können es auch, Sie werden es spüren, wenn Sie wirklich genießen, wenn Sie ganz bei sich sind, es ist so schön.

Genuss kann von allen Sinnen ausgehen. Mein Beispiel war visuell, die Bilder sogen mich in Ihren Bann. Viele Menschen können wirklich genießen, wenn sie sich ganz dem Geschmack hingeben, z.B. bei einem guten, stressfreien Essen oder auch nur dem Cappuccino in der Abendsonne auf der Terrasse. Andere versinken in klassischen Konzerten und gehen ganz im Hören auf. Und ich kenne auch Menschen, die können genießen, bei Sturm an der Nordsee spazieren zu gehen, den kalten Wind im Gesicht – einfach spüren.

Ganz besonders schön wird es, wenn man das eigene Tun genießen kann. Ich darf das immer mal wieder erleben, wenn ich in meiner Heimatstadt bin und meinen guten Freund Wolfgang besuche. Er ist ein wundervoller Jazz-Pianist und wenn er am Flügel sitzt und spielt, dann verwandelt er sich. Er wird eins mit der Musik, er „taucht ab“, er ist scheinbar ganz woanders. Er nimmt nichts mehr um sich herum wahr, er spielt nur noch und genießt sich selbst. Es sind Momente des Glücks, auch spürbar, wenn man nur Zuschauer ist.

Wir müssen wieder mehr genießen, gerade in dieser aktuellen Zeit. Genuss ist Lebensqualität und gibt uns Kraft. Wirklicher Genuss aber braucht ein paar Voraussetzungen, die ich zu Beginn schon einmal angedeutet habe:

  • Ich muss ganz bei mir sein und wissen, was mit guttut – genießen kann man nur für sich! Dazu gehört auch die Schärfung des Bewusstseins, dass es mit dem Genuss so ähnlich ist wie mit dem Glück: Beides liegt oft in kleinen Dingen. Und wie es passender nicht sein könnte, besucht mich just in diesem Moment ein Eichhörnchen auf meiner Terrasse und ich höre für einen Moment zu schreiben auf, um seine Nähe zu genießen. Natur tut mit immer gut.
  • Genießen braucht Muße in der Zeit – Hektik und Termine sind fehl am Platz.
  • Wir können mit allen Sinnen genießen, doch dafür müssen wir uns ihrer häufig erst einmal wieder bewusstwerden und uns von der Reizüberflutung – vor allem im visuellen – verabschieden.

Ich vermute, ich habe noch den ein oder anderen Aspekt vergessen und Sie können ihn ergänzen, denn Sie sind nun ohnehin an der Reihe:

Können Sie die Frage, was Ihnen wirklich guttut, sofort beantworten?

Wenn nein, gehen Sie auf die Suche!

Wann haben Sie das letzte Mal in vollen Zügen genossen? Erinnern Sie die Situation und holen Sie die Bilder und das positive Gefühl wieder hervor.

Wann werden Sie das nächste Mal so richtig genießen?

Was – ganz konkret – wollen Sie zukünftig anders machen, für mehr Genuss in Ihrem Leben?

Ich wünsche viel Erfolg dabei und natürlich ein wunderbares Wochenende!