Dass wir inzwischen einen klaren Arbeitnehmermarkt haben, wurde schon durch zahlreiche Umfragen in den vergangenen Monaten offenkundig. Nun zeigen sich die verbesserten Möglichkeiten der Mitarbeitenden auch in einer deutlich erhöhten Wechselbereitschaft. In einer Befragung der Beratungsgesellschaft EY erklärten 63% der Befragten, dass sie zuletzt an einen Jobwechsel gedacht haben.
Nur 37% der Befragten, so wenige wie seit 2015 nicht mehr, beschäftigen sich nicht mit einem Jobwechsel. Noch vor zwei Jahren war ein Jobwechsel für die Hälfte der Befragten kein Thema. Allerdings weist EY auch daraufhin, dass solche Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind, denn den Job wechseln dann doch in der Regel deutlich weniger Menschen. Insgesamt komme der Arbeitsmarkt nach einer ruhigen Zeit während Corona wieder in Bewegung. Als häufigste Wechselgründe nannten die Befragten ein zu niedriges Gehalt (34%), das Verhalten des Vorgesetzten (29%) und eine schlechte Unternehmenskultur (23%).
Auch die Recruiting Plattform onlyfy hat sich in einer Befragung mit dem Thema Mitarbeitertreue bzw. Wechselbereitschaft beschäftigt. Dabei zeigten sich insbesondere jüngere Beschäftigte zwischen 18 und 29 als besonders wechselwillig, denn 14% und damit etwa doppelt so viele wie in den anderen Altersgruppen gaben an, aktiv auf Jobsuche zu sein. Aber auch andere Gruppen sind potentiell abwanderungsgefährdet: In der Gruppe der 30 bis 49jährigen gaben etwa 38% der Befragten an, sie seien zwar nicht aktiv auf Suche, aber offen für Angebote. Auch war der Anteil derer, die langfristig bei ihrem Unternehmen bleiben wollten, in dieser Altersgruppe nur marginal höher als bei jüngeren Mitarbeitenden: 52% gegenüber 50%.
Interessant ist wie immer auch die Frage, warum Menschen den Arbeitgeber wechseln möchten. Am Beispiel der jungen Mitarbeiten zwischen 18 und 29 zeigt sich, dass Geld in dieser Altersgruppe natürlich wichtig ist. Gleich danach – und das überrascht dann doch – kommt ein hohes Stresslevel.
Ein wirksames Mittel zur Mitarbeiterbindung könnte also z.B. ein gut aufgestelltes Gesundheitsmanagement der Unternehmen sein. Eine aktuelle Befragung der Krankenkasse DAK lässt allerdings vermuten, dass viele Unternehmen gerade in diesem Bereich nicht gut aufgestellt sind. Die Krankenkasse hat für Ihre Studie mehr als 7000 ihrer insgesamt mehr als 2,4 Millionen Versicherten befragt. In Unternehmen mit regelmäßigem Personalmangel – und welches Unternehmen leidet aktuell nicht unter Personalmangel? – wurde das Thema Mitarbeitergesundheit mit 49% der Befragten nicht mal von der Hälfte der Führungskräfte als wichtig betrachtet. Nur 31% der Mitarbeitenden in diesen Unternehmen waren der Meinung, dass ihre Gesundheit ihren Unternehmen wichtig sei und nur 29% gaben an, dass ihr Unternehmen, die Gesundheit seiner Mitarbeitenden fördert.
Ich schaue immer etwas ratlos auf solche Befragungsergebnisse, denn eigentlich sollte jeder Arbeitgeber an der Gesundheit seiner Mitarbeitenden schon aus eigenen betriebswirtschaftlichen Gründen ein starkes Interesse haben. Dazu kommen alle Aspekte von Mitarbeiterbindung und -gewinnung. Für mich ist es trotzdem erfreulich, dass sich in meiner Beobachtung die Beispiele häufen, in denen die Unternehmen Überlegungen zur Gesundheit ihrer Mitarbeitenden anstellen und auch unterschiedlichste Maßnahmen ergreifen. Folgt man der DAK-Studie ist das aber offenbar bei Weitem noch nicht genug.
Zum Stichwort Mitarbeitergewinnung legt Boston Consulting eine weltweite Befragung unter 90.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor. Diese macht im Ergebnis deutlich, wie wichtig inzwischen der gesamt Recruiting-Prozess geworden ist, denn 52% der Befragten erklärten, dass sie ein interessantes Jobangebot ablehnen würden, wenn im Recruiting-Prozess Störungen auftreten würden. Umgekehrt gaben sogar 66% der Befragten an, dass sich Unternehmen durch einen reibungslosen Recruiting-Prozess positiv von anderen Anbietern absetzen könnten.
Da drängt sich natürlich die Frage auf, was Unternehmen tun müssen, damit der Recruiting-Prozess für die Bewerberinnen und Bewerber zu einer positiven Erfahrung wird. 64% gaben an, dass es positiv wäre, wenn sie ihren Lebenslauf direkt an die Personalverantwortlichen im Unternehmen und nicht an einen Headhunter schicken können. Kommt es zu einem Vorstellungsgespräch, so bevorzugen 57% ein Gespräch mit dem potentiellen direkten Vorgesetzten und zwar – ganz „old school“ – persönlich und nicht über Videokommunikation. Ein interessanter Aspekt zeigt sich auch bei den potentiellen Gehaltsverhandlungen, bei denen sich 59% der Befragten eine Verhandlungsbereitschaft der Arbeitgeber wünschen.
Ich finde, das sind konkrete Ansatzpunkte, die den Arbeitgebern doch klare Handlungsempfehlungen für ein positives Erlebnis der Bewerberrinnen und Bewerber geben.
Die aktuelle Zeit ist durch weltweite Krisen geprägt. Auch in der Zukunft werden wir wohl oder übel mit weiteren Krisen rechnen müssen. Sind denn die Unternehmen inzwischen für solche Krisen gut aufgestellt? In einer Befragung von McKinsey, die 2500 Führungskräfte befragt haben, kommt die Hälfte der Befragten zum Ergebnis, dass ihr Unternehmen für künftige Krisen nicht gut aufgestellt ist. Beklagt wird vor allem mangelnde organisationale Widerstandskraft, deren Steigerung sich in er Praxis als herausfordernd erweist. 43% der Führungskräfte führten dies auf begrenzte Mittel zurück und 33% nannten unklare Prioritäten als Hemmnis. Wie auch immer: Sollte wirklich jedes zweite Unternehmen noch nicht auf künftige Krisen vorbreitet sein, gibt es noch viel zu tun und viel Zeit, bevor wir daran zu arbeiten beginnen, sollten wir uns nicht mehr lassen.
Ist es nicht schön, wenn die Arbeitskollegen und Kolleginnen auch Freunde sind bzw. werden? Doch das ist es sicherlich, aber frei von Risiken ist diese Doppelrolle aus Freund und Kollege nicht, wie uns zwei Studien der Universität Hohenheim vor Augen führen. In Fällen, in denen die Kolleginnen und Kollegen auch Freunde waren, konnten sich die Befragten nämlich schlechter konzentrieren und verhielten sich auf der Arbeit eher unsensibel und abwertend. Diese Ergebnisse erscheinen zunächst paradox, lassen sich – den Studienautoren zu Folge – jedoch mit den unterschiedlichen Rollenerwartungen gut erklären. Während von Kollegen Objektivität erwartet wird, wünschen sich Menschen von Freunden eher Bevorzugung und Zuneigung. Diese unterschiedlichen Anforderungen in Einklang zu bringen, ist sehr anstrengend und führt zu einer dauerhaften Überforderung, die sich in dem genannten Verhalten zeigt. Die Studienautoren raten Unternehmen daher, Wege zu finden, um diese Nebenwirkungen, die zu erhöhten Fehlzeiten am Arbeitsplatz führen können, zu minimieren. Dafür könne es bereits ausreichen, das Bewusstsein der Beteiligten durch Newsletter oder Intranet Artikel zu schärfen. Ich finde diese Umfrageergebnisse, die ich so nicht erwartet hätte, sehr interessant, denn Freundschaften am Arbeitsplatz sind weit verbreitet.
Das Gottlieb Duttweiler Institut kommt im Ergebnis einer Befragung zu einem provokativen Ergebnis in Sachen Führung: Es gibt zu viele Führungskräfte! Kein Tätigkeitsfeld sei so stark gewachsen, wie das der Managerinnen und Manager. Die Zahl der Mitarbeitenden mit Führungsverantwortung hat sich in den letzten 10 Jahren verdreifacht, ohne dass dies zu Produktivitätsgewinnen geführt hätte. 40% der Befragten gab an, dass die Entscheidungen besser auf der Mitarbeiterebene getroffen werden sollten. 32% der Befragten sind der Meinung, dass weniger Führungskräfte, die Arbeitsabläufe effizienter machen würden. Allerdings scheint auch insgesamt viel Effizienzpotential zu bestehen: Im Schnitt gaben die Befragten nämlich an, dass 20%(!) ihrer Arbeitszeit aus unnützen Aufgaben bestehe. Da zucke ich schon zusammen – ist die 4-Tage-Woche also gar kein Problem?
Was denken Sie? Gibt es inzwischen tatsächlich zu viele Führungskräfte? Ich bin angesichts dieser Befragungsergebnisse sehr ambivalent, denn ich kenne nach wie vor Führungsspannen, die selbst die besten Führungskräfte nicht bewältigen können. Dieses Thema dürfte viele Facetten haben und wird uns wahrscheinlich auch in Zukunft noch weiter beschäftigen.
Zum Schluss dieses Blogbeitrages wie immer noch einige Blitzlichter:
- Die Möglichkeit flexibel von jedem Platz auf der Welt aus arbeiten zu können, hat offenbar an Bedeutung verloren. Im aktuellen „Internation People Mobility Report 2023“ des Dienstleistungsunternehmens Aon plc boten nur noch 50% der Unternehmen die Möglichkeit der Remote-Arbeit an. Im Vorjahr waren dies noch 63%.
- Im scheinbaren Widerspruch zu diesen Ergebnissen steht das Ergebnis einer PWC-Befragung unter rund 1000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, in der 67% der Teilnehmer erklärten, dass Workation – also die Möglichkeit zu arbeiten und gleichzeitig reisen zu können, ein wichtiges Kriterium bei der Jobwahl sei. Wenig überraschend gaben dies besonders die jüngeren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als wichtigen Aspekt an, immerhin signifikante 80%!
- Welche Teams sind erfolgreicher – zufällig zusammengestellte oder solche, deren Zusammensetzung man sich aussuchen durfte? Zufällige Teams sind meistens heterogener als Teams, in denen man sich die Partner aussuchen konnte – gleich und gleich gesellt sich halt gern. Im Experiment der WHU Otto Beisheim School of Management mussten jeweils zweier Teams sowohl eine Aufgabe auf einem Arbeitsblatt als auch eine Aufgabe mittels einer Videopräsentation lösen. Die Aufgaben auf dem Arbeitsblatt wurden besser von Teams gelöst, die rein zufällig zusammengestellt wurden. In den Videopräsentationen schnitten Teams besser ab, in denen man sich den Partnern bzw. die Partnerin aussuchen konnte. Es kommt also immer drauf an – ein eindeutige Aussage zu meiner Eingangsfrage lässt sich nicht geben.
- Die Stimmung der Beschäftigten mit Blick auf die Zukunft ist in Deutschland offenbar nach wie vor gut, denn die Menschen vertrauen auf ihre eigenen Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten. In einer aktuellen Studie von YouGov hielten sich 90% der Befragten für besser (26%) oder zumindest genauso gut (64%) qualifiziert wie ihre Kolleginnen und Kollegen.
- Forscher der Business School ESMT in Berlin beschäftigen sich mit der Forschung zur künstlichen Intelligenz (KI). Sie konnten zeigen, dass das Vertrauen in den „Kollegen Roboter“ wächst, wenn sich dessen Entscheidungen im Nachgang auch als richtig nachvollziehen ließen. Konnte dieser Nachweis nicht erbracht werden, erhöhte sich auch das Vertrauen nicht. Ob das allerdings etwas mit KI oder nicht vielmehr mit ganz normalen menschlichen Verhalten zu tun hat, überlasse ich Ihrer eigenen Bewertung.
- Was machen Sie eigentlich am Abend nach einem anstrengenden Arbeitstag? Zwei Wissenschaftlerinnen der Universität Mannheim konnten in Ihrer Studie jedenfalls einen positiven Zusammenhang zwischen abendlicher Erholung und guter Laune am nächsten Arbeitstag belegen. Menschen, die sich am Abend gut erholt hatten, fühlten sich am nächsten morgen ruhiger, wacher und zufriedener. Im Gegenzug fühlten sich Menschen, die sich nicht gut erholt hatten, schlechter konzentriert, ungeduldig und traten auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen weniger freundlich auf. Fazit: Am Abend also doch lieber zum Sport, mit Freunden treffen oder ähnliches und nicht den Laptop nochmal für ein paar Stunden zu Hause aufklappen.
Vielfältige Themen waren das, die uns in den letzten zwei Monaten beschäftigt haben. Ich hoffe, für Sie war denn auch der ein oder andere Impuls dabei, den Sie vertiefen möchten. Dabei wünsche ich viel Freude und viel Erfolg. Der nächste Blogbeitrag aus dieser Reihe erscheint wieder Ende November.
Wie immer zum Schluss noch ein Hinweis in eigener Sache: Die zitierten Studien wurden größtenteils veröffentlicht in den Ausgaben 09/2023 und 10/2023 von managerseminare.