Die Natur bietet wunderbare Möglichkeiten der Beobachtung, sie ist unendlich interessant und faszinierend. In unserem Garten leben viele Tiere, die wunderbare Beobachtungsobjekte darstellen, wobei die Eichhörnchen wohl die interessantesten und in Ihrem Verhalten abwechslungsreichsten Gartenbewohner sind.
Meine Frau und ich verfolgen dabei ganz unterschiedliche Strategien der Beobachtung. Ich fotografiere sehr gerne und suche stets nach schönen Momenten, die ich in Bildern festhalten kann. Bei der abendlichen Auswertung von oft mehreren hundert Bildern suche ich dann voller Elan die schönsten aus. Meine Frau greift nur selten zur Kamera, sondern widmet ihre volle Aufmerksamkeit uneingeschränkt den Tieren. Sie liebt es, ihr Verhalten zu studieren, ihnen zu folgen und Augenfotos zu machen, wie das vor kurzem eine Facebook-Freundin von mir nannte.
Oft beobachten wir die gleichen Szenen mit – Sie ahnen es – einem ganz anderen Ergebnis.
„Hast Du gesehen, wie…“, sagt meine Frau manchmal begeistert. Ich jedoch muss gestehen, dass ich diese Szene gar nicht abrufen kann, sie ist bei mir nicht gespeichert. Für ein besonders schönes Foto hatte sie wahrscheinlich keinen Wert. Neidlos muss ich anerkennen, dass meine Frau häufig eine viel detailliertere Wahrnehmung hat als ich. Sie nimmt viel mehr Kleinigkeiten auf, taucht viel tiefer ein in die Welt der Tiere.
Das verwundert auch nicht, denn ich verfolge beim Beobachten der Tiere eine eigene Absicht, nämlich schöne Fotos zu machen, an denen ich mich erfreuen kann. Meine Frau hingegen ist vollkommen absichtslos, sie lässt die Natur einfach sein und genießt. Das schärft die Sinne für mehr Details und lässt sie viel tiefer in die Situation eintauchen. Sie Frau wird vielmehr „eins“ mit der Natur, als ich das als Fotograf jemals könnte.
Situationen wie diese erleben wir nicht nur beim Beobachten der Natur, sondern häufig in allen Lebenslagen. Immer dann, wenn wir zusätzliche eigene Ziele oder Interessen verfolgen, tauchen wir nicht vollständig in eine Situation ein. Das gelingt erst, wenn wir uns voll und ganz auf das einlassen, was gerade geschieht und uns für diese Zeit von eigenen Prioritäten verabschieden.
Vielleicht können Sie sich an eine Situation erinnern, in der Sie das Gefühl hatten, mit jemandem ein Gespräch zu führen, der vollkommen bei Ihnen war. Wie fühlte sich das an? „Grossartig“, werden Sie wahrscheinlich sagen, weil Sie sich wahrgenommen, wertgeschätzt und ernst genommen gefühlt haben. Da war jemand ganz für Sie da.
Eventuell erinnern Sie auch eine eigene Situation ein, in der Sie selbst nicht ganz bei Ihrem Gesprächspartner sein konnten, weil Ihre Gedanken immer wieder abschweiften oder Sie in eigenen Dingen verhaftet waren. Sich einzulassen auf das, was gerade geschieht, war nicht möglich. Manchmal ist es auch deshalb schwer, weil man so viele eigene Gedanken im Kopf hat, die man unbedingt aussprechen möchte. Dann ist es oft unmöglich wirklich zuzuhören, weil man so gerne selber sprechen möchte. Ohne echtes Zuhören aber kann man nicht beim anderen sein.
Eine solche Situation, die Sie erinnern, fühlte sich für Sie nicht gut an? Für alle anderen, die an der Situation beteiligt waren, wahrscheinlich auch nicht.
Ich möchte hier nichts bewerten, loszulassen und ganz im Moment zu sein, ist oft unendlich schwer. Ich kenne viele Menschen, vor allem Führungskräfte, die selbst wenn sie zu Hause sind, mit den Gedanken noch m Büro sind. Sie sind körperlich anwesend, wirklich da sind sie nicht.
Ganz da zu sein, nur in diesem Moment, ohne eigene Ziele und Absichten, das ist ein wunderbares Gefühl. Sowohl für einen selbst, ganz sicher aber auch für die Menschen, mit denen man gerade seine Zeit verbringt. Jedenfalls von Zeit zu Zeit sollten wir alle uns dieses großartige Gefühl gönnen.
Mein Plan für dieses Wochenende? Keine Fotos machen, einfach da sein und die Tiere und die Natur genießen – wunderbar.
Und Ihr Plan?
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!