Arbeitswelt und Führung: aktuelle Trends und Umfragen, Ausgabe 26.09.2022

In diesem Monat liegen eine ganze Reihe interessanter Studien zu verschiedenen Themen vor.

Da Apple gerade seine Beschäftigten zurück in die Firma ruft und die Diskussion um die Frage des Homeoffices damit neu befeuert, starten wir gleich mit diesem Thema. Auch in Deutschland scheint die Frage Homeoffice ja oder nein für viele Führungskräfte immer noch nicht eindeutig beantwortet zu sein. In einer Studie des Deutschen Innovationsinstituts für Nachhaltigkeit und Digitalisierung (DIND), für die 2767 Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer befragt wurden, haben 51 Prozent der Befragten aus kleinen und mittelständischen Unternehmen angegeben, sie fänden es problematisch, wenn viele ihrer Mitarbeitenden im Homeoffice sind. Die größte Sorge ist offensichtlich, dass die Kreativität der Mitarbeitenden sinken könnte. 71 Prozent der befragten Führungskräfte gehen davon aus, dass im Homeoffice die Kreativität ihrer Mitarbeitenden geringer ist. Derartige Annahmen werden auch durch aktuelle Aussagen führender Hirnforscher gestützt, die davon ausgehen, dass Kreativität in erster Linie durch Präsenz und Teamarbeit vor Ort gefördert wird.

In der Studie hatten außerdem 44 Prozent der Befragten den Eindruck, dass die Produktivität ihrer Mitarbeitenden im Homeoffice abgenommen hat. Allerdings kommen die Befragten nicht zu dem Ergebnis, dass ihre Sorgen dem Homeoffice in Gänze entgegenstehen, denn 82 Prozent der befragten Führungskräfte waren gegen eine komplette Abschaffung des Homeoffice. So bleiben die Fragen, wie eine Kombination zwischen Homeoffice und Arbeiten vor Ort im Unternehmen optimal gestaltet werden kann. Hier werden bereits seit längerem Fragestellungen fester oder variabler Präsenztage, einer konkret vorgegebenen Anzahl von Tagen im Home Office oder auch in Präsenz und ähnliche Lösungsmodelle diskutiert. Eine Musterlösung scheint es hierbei nicht zu geben, vielmehr wird jedes Unternehmen für sich entscheiden müssen, welche Lösung die bestmögliche Verbindung zwischen Unternehmens- und Mitarbeiterinteressen darstellt.

Die Kühne Logistics University hat in einer Studie 622 Mitarbeitende der Hamburger Hochbahn befragt und dabei herausgefunden, dass die Mehrheit gerne ins Büro zurückkommen möchte. Ein Zwang zur Rückkehr ins Büro scheint also gar nicht notwendig: Freiwilligkeit und individuelle Vereinbarungen deuten sich nach wie vor als bestmögliche Wege zur Vereinbarkeit der Interessen aller Beteiligten an. Dabei sollten die Präsenztage möglichst individuell zwischen den Mitarbeiten und ihren jeweiligen Führungskräften abgesprochen werden. Homeoffice allein scheint keinesfalls die Musterlösung für viele Mitarbeitende darzustellen, da immer mehr auch der Aspekt des sozialen Miteinanders der Kolleginnen und Kollegen vor Ort thematisiert wird. Ähnliche Erfahrungen hat auch der Sportartikelhersteller Puma gemacht. Ohne einen offiziellen Aufruf kehrten etwa 80 Prozent der Beschäftigten jeden Tag ins Büro zurück.

Ich habe in meinen Blogbeiträgen schon oft darauf hingewiesen, dass das „New Normal“ der Zusammenarbeit keineswegs schon gefunden ist, was nach einer so kurzen Zeit auch gar nicht möglich erscheint. Die Suche nach den richtigen, individuellen Lösungen bleibt Aufgabe aller Unternehmen.

Zu diesem Thema liegen noch zwei weitere Befragungen vor, die interessante Blitzlichter zu Teilaspekten darstellen. Der Technologieanbieter Sharp Business Systems hat mehr als 6000 Büroangestellte befragt und festgestellt, dass etwa die Hälfte der Befragten persönliche Besprechungen einem virtuellen Meeting vorziehen würde. Hauptgrund ist offenbar, dass die Befragten davon ausgehen, dass face to face bessere Kommunikationsmöglichkeiten bestehen, als dies in einer virtuellen Besprechung der Fall ist.

Ein weiteres interessantes Blitzlicht liefert eine Studie von Cegid, einem cloudbasierten Business-Management Lösungsanbieter. In dieser Befragung wurden 100 Führungskräfte und 400 Mitarbeitende hinsichtlich ihrer Präferenzen zu flexiblen Arbeitszeiten befragt. 42 Prozent der männlichen Studienteilnehmer, aber nur 29 Prozent der befragten Frauen, gaben an, dass flexible Arbeitszeitgestaltung für sie ein entscheidender Faktor bei der Arbeitgeberbindung ist. Dies ist zunächst ein überraschendes Ergebnis, denn gemeinhin wird Frauen unterstellt, dass für sie flexible Arbeitszeiten deutlich wichtiger seien als für ihre männlichen Kollegen. Besonders deutlich fiel der Unterschied bei den Besserverdienenden mit mehr als 5000 Euro Haushaltsnettoeinkommen aus: 52 Prozent der männlichen Befragten, aber nur 25 Prozent der Frauen, empfanden flexible Arbeitszeiten als besonders wertschätzend. Leider hat die Studie nicht nach den Gründen dieser Entwicklungen gefragt. Es darf jedoch (mit den Studienautoren übereinstimmend) angenommen werden, dass die Erfahrungen der letzten zwei Jahre dazu geführt haben, dass die Hemmschwelle nach flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsmöglichkeiten im Homeoffice zu fragen, deutlich abgesenkt wurde. Dies gilt insbesondere für die männlichen Arbeitnehmer.

Keine Frage: Beim Thema Home Office wird es spannend bleiben und die Entwicklung der nächsten Monate und sogar Jahre wird sicher noch vielfältige Aspekte zu diesem Thema offenbaren, die wir hier weiter betrachten werden. Wechseln wir nun jedoch das Thema und wenden uns dem Recruting zu.

Selten hatten wir einen Arbeitsmarkt, der so sehr durch eine Stärke der Arbeitssuchenden geprägt ist, wie das aktuell der Fall zu sein scheint. Kaum ein Arbeitgeber sucht nicht nach geeignetem Personal und hat Schwierigkeiten, seine offenen Stellen zu besetzen. Da überrascht es nicht, dass in einer Befragung der HR-Beratung Königsteiner Gruppe, an der 1000 Jobsuchende teilgenommen haben, weitaus häufiger die Jobsuchenden selber abgesagt haben, als dass die Arbeitgeber eine Absage erteilt haben. 34 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich selbst entschieden haben, den angebotenen Job nicht anzunehmen, während in nur 19 Prozent der Fälle die Arbeitgeber abgesagt haben. 42 Prozent der Jobsuchenden sagten, ab, weil sie ein Angebot gefunden haben, das besser zu ihrer Persönlichkeit passte. Weitere wichtige Gründe waren: Ein Angebot mit einem besseren Gehalt (35 Prozent) oder Jobs, die noch besser auf die persönlichen Qualifikationen passten (29 Prozent). Die Studie zeigt auch, dass die Jobsuchenden inzwischen klare Anforderungen haben, was zum Beispiel die Reaktionszeiten der Arbeitgeber betrifft. 72 Prozent der Kandidaten möchten nicht länger als zwei Wochen auf eine Rückmeldung warten, was nicht mal ein Drittel der Arbeitgeber erfüllte. Weitere Gründe für mögliche Absagen durch die Bewerber waren ein zu langwieriger Bewerbungsprozess, ein unpersönlicher Kontakt oder ein nicht mehr zeitgemäßes Verfahren. Die Anforderungen der Jobsuchenden an ihre Arbeitgeber sind insgesamt deutlich gestiegen, sodass man durchaus davon sprechen kann, dass inzwischen mehr die Arbeitnehmer die Arbeitgeber auswählen als die Arbeitgeber ihr Personal. Dieses ist zweifelsohne eine große Herausforderung für viele Unternehmen, die händeringend nach Fachkräften suchen, und es ist auch eine gute Chance für die Mitarbeitenden sowohl die für sie persönlich passenden Aufgabengebiete als auch eine gute Bezahlung zu finden.

Eine weitere interessante Befragung legt das Hernstein Institut für Management und Leadership vor. In einer Studie unter 1500 Führungskräften der DACH-Region wurde die Frage der aktuellen Mitarbeiterführung untersucht, insbesondere ob Führungskräfte zunehmend die Rolle des Coaches ihrer Mitarbeitenden ausüben. 90 Prozent der Befragten sehen die Führungskräfte künftig in der Rolle des Coaches. Ich habe mich bereits mehrfach kritisch dazu geäußert, das aus meiner Sicht die Aufgaben Führungskraft und Coach nur in Grenzen zusammenpassen. Als Coach habe ich keine eigenen Interessen. Als Führungskraft habe ich das immer und zusätzlich auch die Interessen des mich bezahlenden Unternehmens zu berücksichtigen. Ich werde also sicher nicht uneingeschränkt Coach meines Mitarbeiters oder meiner Mitarbeiterin sein können, da Interessenkonflikte vorprogrammiert sind. Dennoch geht sicher die Entwicklung in die richtige Richtung, wenn wir das Thema dahingehend interpretieren, das zunehmend unterstützend und mit Coaching-Techniken geführt wird. 70 Prozent der Befragten halten es übrigens für wahrscheinlich, dass die aktuelle Entwicklung vor allen Dingen eine Reaktion auf den zunehmenden Fachkräftemangel ist. Die Führungskräfte selbst stellen sich, wie schon in vielen Befragungen vorher, wieder einmal ein ausgezeichnetes Zeugnis aus, denn 84 Prozent der Führungskräfte waren der Meinung, dass sie bereits coachend führen. Leider gibt die Studie keinen Aufschluss darüber, wie das Bild auf der Seite der Mitarbeitenden aussieht, denn wir haben schon in vielen Befragungen feststellen müssen, dass meist eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Selbstbild der Führungskräfte und dem kritischen Spiegelbild der Geführten besteht. Wie auch immer dem sei, der Trend geht jedenfalls in die richtige Richtung, denn ohne Frage sind klassische Führungsmethoden, die vor allem auf Hierarchie und auf „law and order“ basieren, nicht mehr zeitgemäß. Coachingkompetenzen zu besitzen und unterstützend zu führen, ist zweifelsohne für die Führungskräfte der Zukunft der richtige Weg.

Zum Abschluss dieser Betrachtungen noch eine Studie, die wieder einmal belegt, dass Geld nicht motiviert. Das Gehalt ist ein klassischer Hygiene-Faktor (nach Herzberg), der ggf. unzufrieden macht, aber nicht motiviert. Dieses Ergebnis wurde schon in vielen Studien belegt, aber es macht nichts, auch noch eine Studie der Internationalen Hochschule zu betrachten, die dafür gut 2000 deutsche Angestellte zwischen 18 und 65 Jahren befragt hat. In dieser Studie führten die Befragten aus, dass ihre Motivation sinkt, wenn das Gehalt zu gering ausfällt (27,2 Prozent) oder wenn zu wenig Anerkennung und Wertschätzung vorhanden ist (27,1 Prozent). Das gegenteilige Ergebnis, also dass aus einem höheren Gehalt auch eine größere Motivation entstehen würde, lässt sich aus dieser Studie wieder einmal nicht ableiten, denn die Befragten haben keineswegs ein besseres Gehalt als größten Motivator genannt. 31,4 Prozent stimmten vielmehr der Aussage zu, dass das Interesse an ihrer jeweiligen Aufgabe ihr größter Motivator sei. Ein höheres Gehalt landete mit 24,7 Prozent der Befragten gerade einmal auf Platz sieben (!) der motivierenden Faktoren. Eine angemessene Bezahlung, die als leistungsgerecht empfunden wird, wird heute als selbstverständlich wahrgenommen und motiviert deswegen nur temporär oder gar nicht mehr. Vielmehr schon sind Anerkennung und Wertschätzung auch klassische Motivationsfaktoren, die mit 31,1 Prozent auf Platz zwei der Nennungen landeten.

Die Anforderungen an Führungskräfte sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Aktuell scheinen wir allerdings so etwas, wie einen Booster zu erleben, denn die vielen Krisen, die aktuell unsere Welt erschüttern, machen es den Führungskräften nicht leicht. Mit diesem Thema haben sich meine Kollegin Kristin Scheerhorn und ich auch schon mehrfach in unserem New Leaders Club Podcast, indem wir speziell den Blick auf die aktuelle Lage der Führung richten und immer wieder versuchen, Ihnen Tipps und Anregungen aus dem Bereich New Work und New Leadership mit auf den Weg zu geben, auseinandergesetzt. Auch diesen Podcast finden Sie auf fast allen großen Podcast-Portalen. Vielleicht haben Sie ja einmal Lust, reinzuhören.

Alle hier zitierten Studien wurden veröffentlicht in der Ausgabe 10/2022 von managerseminare.

Für alle Führungskräfte, die sich gerne Coachingkompetenzen aneignen möchten, um noch erfolgreicher führen zu können, gibt es unter folgendem Link Informationen zu meinen Seminarangeboten zu diesem Thema.

Erfolgreich führen mit Coachingkompetenz


Für Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Blitzlicht zu Homeoffice und Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Diese Ausgabe zu aktuellen Umfragen und Studien belasse ich mal wieder bei einem kurzen Blitzlicht zu zwei Themen. Der Beitrag erscheint daher nicht als Podcast.

Ist Work-Life-Balance nun ein “alter Hut” oder top aktuell? Diese Frage begegnet mir immer wieder. Aus meiner Sicht ist schon die Frage sinnlos, denn sie fokussiert auf einen Begriff und den können Sie verwenden oder auch nicht. Die Inhalte, die sich hinter dem Begriff Work-Life-Balance verbergen, sind so aktuell wie eh und je, auch wenn sie uns immer wieder unter verschiedensten Bezeichnungen begegnen.

Dies belegt ganz aktuell eine Forsa-Umfrage unter mehr als 1.000 Befragten zwischen 29 und 40 Jahren, die noch keine Kinder haben, sich aber vorstellen können, Kinder zu bekommen. 37% der Befragten gaben an, dass Sie wohl eher den Arbeitgeber wechseln würden, wenn dieser keine Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ergreift; 22% würden es auf jeden Fall tun. Das galt in der Umfrage sowohl für Frauen als auch für Männer. Die Mehrheit zeigt sich aktuell ganz zufrieden mit ihren Arbeitgebern: 56% gaben an, dass der aktuelle Arbeitgeber ausreichende Angebot zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zur Verfügung stellt.

33% waren der Meinung, dass ihr Arbeitgeber mehr tun müsste und wünschten sich vor allem flexiblere Arbeitszeitmodelle (26%), ein Kinderbetreuungsangebot (19%) und variable Arbeitsorte inkl. Homeoffice (15%).

Egal also, welchen Begriff Sie für dieses Thema bevorzugen, es ist top aktuell.

Das zweite Thema, zu dem sich aktuell fast immer neue Studien finden lassen, ist einmal mehr das Thema Homeoffice.

Das Zentrum für Arbeitgeberattraktivität legt zusammen mit der Universität St. Gallen eine Studie vor, in der vier Kategorien gebildet werden:

Der “gefährdete Durchschnitt” (30%) ist eine Gruppe, deren Leistung und Gesundheit im Homeoffice gefährdet ist. Dies gilt hingegen nicht für den “gesunden Durchschnitt”, dem 33% der mehr als 13.400 Befragten angehören. Die Gruppe der “Hochleister am Limit” (12%) leistet im Homeoffice sehr viel, setzt dafür aber ihre Gesundheit aufs Spiel. Schließlich bleiben noch die “gesunden Hochleister” (25%), die im Homeoffice ihr volles Potential ausschöpfen.

Die letzte Gruppe zeichnet sich durch eine höhere Arbeitszufriedenheit aus und ist deutlich weniger erschöpft (38%) als die “Hochleister am Limit”.

Unschwer lässt sich also erkennen, das Homeoffice ist für einige eine gute Lösung, aber nicht für alle. Um den negativen Trends und den Gefahren entgegenzuwirken ist – wenig überraschend – vor allem die Führung gefragt. Dabei kommen die Studienautoren zu folgendem Ergebnis:

Positiv wirkt sich vor allem eine ergebnisorientierte, wertschätzende und inspirierende Führung aus. Die beiden “Führungsextreme” Command and Control und Laissez-faire wirken sich negativ aus. Es überrascht nicht, dass Führung auch für den Erfolg und die Zufriedenheit im Homeoffice signifikante Beiträge leisten kann. Für viele Führungskräfte dürfte das allerdings nach wie vor ein relativ neues Aufgabengebiet sein. Man sollte sie also unterstützen und nicht alleine lassen.

New Leaders Club Podcast – aktuelle Folgen verpasst?

Habt Ihr schon in die beiden neusten Folgen unseres “New Leaders Club Podcast” reingehört, die Kristin Scheerhorn und ich im Juli veröffentlicht haben?

Vielleicht habt Ihr die beiden Ausgaben urlaubsbedingt verpasst?

Wie kann man als sich als Führungskraft gut selbst durch die aktuelle Zeit bringen und wie seine Mitarbeitenden?

Spannende Themen? Dann hör rein in die aktuellen Folgen.

Du hast Ideen, Anregungen, andere Erfahrungen oder Bestätigung für uns?

Lass von Dir hören – wir freuen uns auf Dich!

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#theartofnewleadership

#einfachmenschsein

Auf dem Jakobsweg – 10 Fragen an Karl-Heinz Bahr

Zum Hintergrund:
Karl-Heinz Bahr und ich kennen uns aus gemeinsamen Zeiten in der Sparkassenorganisation. In schwierigen Phasen von Fusion und Reorganisation hatten wir aus unseren Funktionen heraus, oft unterschiedliche Stand- und Schwerpunkte zu vertreten: Karl-Heinz Bahr als Vorsitzender der Personalvertretung und ich als Vorsitzender des Vorstandes. Nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Sparkassendienst ist Karl-Heinz Bahr auf den Jakobsweg gegangen, was Anlass für ein Wiedersehen und dieses Interview war.

Lieber Herr Bahr, schön Sie nach so vielen Jahren wiederzusehen! Ich freue mich, dass Sie bereit sind, Ihre Erfahrungen auf dem Jakobsweg mit meinen Leserinnen und Lesern zu teilen – danke dafür!

Wie lange und von wo nach wo sind Sie auf dem Jakobsweg gewandert?

Ich bin die letzten gut 115 km von Sarria nach Santiago de Compostela gewandert. Hierfür habe ich mir 5 Tage Zeit genommen.

Wie kam es zu dem Entschluss, auf den Jakobsweg zu gehen, eher spontan oder war das schon lange geplant?

Das war kein spontaner Entschluss. Inspiriert wurde ich durch Harpe Kerkelings Buch „Ich bin dann mal weg“. Mit meiner Entscheidung einen Altersteilzeitvertrag abzuschließen, kam dann auch die Idee, das Arbeitsleben mit einer Wanderung auf dem Jakobsweg zu beenden und sich auf dem Weg Gedanken über den „letzten“ Lebensabschnitt zu machen.

Wie haben Sie Ihre Reise organisiert, was waren dabei die größten Herausforderungen?

Ich habe gewissermaßen die „Luxusvariante“ gebucht. Meine Unterkünfte waren im Vorwege gebucht und mein Gepäck wurde von einer Unterkunft zur nächsten transportiert, so dass ich nur die Tagesverpflegung tragen musste. Ein Kollege hatte mich auf einen Veranstalter aufmerksam gemacht, mit dem er gute Erfahrungen gemacht hat. Da ich andererseits ein sparsamer Mensch bin, habe ich die Anreise selbst organisiert. Das war dann auch die größte Herausforderung, weil mich Fragen beschäftigt haben wie: „Klappt das mit den Flügen?“, „Wie komme ich vom Flugplatz in Santiago zu meiner Unterkunft?“, „Wie komme ich von Santiago nach Sarria?“, „Was ist mit den Corona-Bestimmungen?“ und noch ein paar weitere eigentlich belanglose Fragen, die haben mich aber so beschäftigt, dass ich auch über eine Stornierung der Reise nachgedacht habe.

In der Nachbetrachtung war alles kein Problem. Ich habe mir unbegründete Gedanken gemacht.

Sie haben sich entschlossen, allein zu wandern, warum?
Waren Sie auf Ihrer Wanderung dann auch tatsächlich allein?

Hört sich komisch an, aber ich wollte mein bisheriges Leben betrachten. Was war gut, was hätte ich anders machen können? Und dann gewissermaßen den Reset-Knopf drücken und überlegen: Was kommt jetzt? Was will ich mit der „neuen Freiheit“ anfangen? Es ist ja nicht nur mein Arbeitsleben zu Ende gegangen, auch familiär gibt es Veränderungen. Zwei meiner drei Kinder sind aus dem Haus und die Dritte ist mit ihren 15 Jahren auch so weit, dass sie mehr und mehr ihren eigenen Weg geht.

Grundsätzlich war ich allein. Aber es gab immer wieder Momente, in denen ich mit anderen „Wanderern“ zusammengegangen bin und wir uns unterhalten haben.

Welche Begegnung wird Ihnen besonders in Erinnerung bleiben und warum?

Da kann ich keine einzelne Begegnung herausheben. Es sind so unterschiedliche Menschen jeden Alters auf diesem Weg, dass jede Begegnung etwas Besonderes ist.

Rückblickend betrachtet: Was war die größte Herausforderung auf Ihrer Wanderung? Was war das schönste Erlebnis?

Die größte Herausforderung war für mich, erst einmal anzukommen, mich auf den Weg einzulassen. Am ersten Tag bin ich viel zu schnell losgegangen. Nach knapp 3 km war ich schon so aus der Puste, dass ich mich gefragt habe: „Was mache ich hier überhaupt?“
„Warum laufe ich eigentlich so schnell?“

Als schönstes Erlebnis möchte ich dann doch zwei nennen.

Das war am vierten Tag als ich kurz vor meinem Tagesziel durch einen Eukalyptuswald ging. Vor mir weit und breit kein Mensch, hinter mir auch niemand zu sehen, es war tolles Wetter, eine sehr schöne Landschaft und ich war nur für mich. Das war ein schöner Moment, den ich sehr genossen habe.

Das Zweite war die Ankunft in Santiago. Der Moment: Ich habe es geschafft! Ich bin 115km in fünf Tagen gegangen und mir geht es gut. Und dann die unbeschreibliche Atmosphäre in Santiago.

Man sagt: „Auf dem Jakobsweg findet man zu sich selbst!“ Ist Ihnen das gelungen und wenn ja, wie war dieses Erlebnis?

Ja, das ist mir gelungen. Aber es hat etwas mehr als einen Tag gebraucht.

Es war gut, mir mal in Ruhe und mit ausreichend Zeit, Gedanken über mein bisheriges Leben zu machen. Diese Zeit habe ich mir vorher zu wenig genommen.

Was bleibt von dieser Reise als dauerhafte Erkenntnis übrig?

Es war eine schöne Erfahrung und da ich ein bisschen Tagebuch geführt habe, kann ich mir diese Zeit immer wieder vor Augen führen.

Und ich werde mir wieder so eine Auszeit gönnen. Ich bin davon überzeugt, es tut Seele und Körper gut und ich hätte es schon viel früher machen sollen.

(mit einem Lächeln) Außerdem sollte ich mein Englisch aufbessern. Ich habe mich schon geärgert, dass ich mich nicht besser verständigen konnte.

Würden Sie nochmal auf den Jakobsweg gehen und wenn ja, was würden Sie anders machen?

Ob ich noch mal auf den Jakobsweg gehen werde, weiß ich noch nicht. Aber ich werde so eine Wanderung noch einmal machen. Und dann nicht die Luxusvariante, sondern mit wenig Gepäck und ohne vorgebuchte Unterkünfte. Man braucht auch nicht viel Gepäck. Wenn man ein T-Shirt 3 Tage anzieht – das merkt doch keiner. Die ungefähre Strecke und Teiletappen festzulegen, ich glaube, das reicht.

Und ich war ja anschließend noch in Paris. Das war dann zu viel. Ein Folgeprogramm würde ich also nicht mehr machen. Vielleicht einen Tag extra am Zielort, aber mehr auch nicht.

Wie Sie wissen, arbeite ich inzwischen als Business Coach und häufig mit Klienten, die sich beruflich in sehr herausfordernden und stressbeladenen Situationen befinden. Würden Sie meinen Klienten eine Wanderung auf dem Jakobsweg empfehlen und welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit es ein positives Erlebnis wird?

Das kann ich nicht eindeutig beantworten. Es ist ein guter Weg, um zu entschleunigen. Aber ich muss es wollen. Es kann kein anderer sagen, Du musst es tun.

Wichtig war für mich, mich um nichts anderes zu kümmern, Job und Familie dürfen keine Rolle spielen.

Mir war zwar wichtig, meiner Frau per WhatsApp zu schreiben, was ich gemacht habe und wie es mir geht. Wir haben aber nicht telefoniert. Das war vorher auch so abgesprochen und für mich war es gut so. Und für meine Frau war es auch in Ordnung.

Zum Abschluss: Wenn ich Ihre Frau fragen würde, ob die Wanderung auf dem Jakobsweg Sie verändert hat, was würde sie mir sagen?

Vielleicht nicht, dass ich mich verändert habe, aber bewusster mit der Zukunft umgehe. Insofern hat es mir für die Gestaltung des Ruhestandes sehr gut geholfen.

Lieber Herr Bahr, ich bedanke mich sehr für dieses Gespräch!

Sehr geehrter Herr Porten, ich bedanke mich ebenfalls bei Ihnen, dass wir nach so langer Zeit mal wieder miteinander reden konnten. Ich hatte schon länger das Bedürfnis, mich mit Ihnen über Ihre Zeit nach der Sparkasse auszutauschen. Vielen Dank auch von mir für das Gespräch.

Alle Fotos in diesem Blogbeitrag wurden mir freundlicherweise von Karl-Heinz Bahr zur Verfügung gestellt. Die Bildrechte liegen bei Herrn Bahr.

Entscheidungen treffen ist immer wieder ein Thema auch im Coaching. Viele Menschen empfinden es oft als schwierig und belastend und schieben die Entscheidungen deshalb auf. Das aber macht es in der Regel nicht einfacher – im Gegenteil.

Nichts im Leben ist umsonst – alles hat einen Preis, denn wofür auch immer ich mich entscheide, ich muss dafür auf etwas anderes verzichten. Für uns selbst die richtigen Entscheidungen zu treffen, nimmt uns niemand ab. Für uns selbst sind wir immer verantwortlich. Darum handeln Sie überlegt und reflektiert und befragen Sie sowohl Ihren Kopf als auch Ihren Bauch. Dann aber entscheiden Sie, schieben Sie die Entscheidungen nicht endlos auf. Denn bekanntlich gilt auch: Ist die Entscheidung getroffen, sind die Sorgen vorbei.

New Leaders Club Podcast: Weitere Folge jetzt online!

Nachdem Kristin und ich uns vor zwei Wochen mit den Führungskräften selbst beschäftigt haben, blicken wir in der aktuellen Folge wieder auf die Mitarbeitenden. Wie können Führungskräfte in den aktuell so schwierigen Rahmenbedingungen verhindern, dass Mitarbeitende in negative Gedanken und Grübeln verfallen? Dazu und einiges mehr gibt es Tipps und Denkanstöße in unserer heutigen Podcastfolge, die auf fast allen großen Podcastportalen online ist.

Hört doch mal rein!

Hier ist wieder der Link zu Spotify.

Wir freuen uns auf Euch!

Arbeitswelt und Führung: aktuelle Trends und Umfragen, Ausgabe 27.07.2022

Auch in diesem Monat liegen wieder einige interessante Befragungsergebnisse vor, von denen ich fünf ausgewählt habe.

Einen informativen Blick auf das aktuelle Investitionsverhalten der Unternehmen liefert dabei der HR-Report 2022, eine Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability in Zusammenarbeit mit der Personalberatung Hays. Hier wurden 978 betriebliche Entscheider in der DACH-Region befragt und das Ergebnis zeigt, dass die Investitionen in den Personalbereich aktuell erfreulicher Weise sehr umfangreich sind. So gaben 41 % an, in die Personalentwicklung zu investieren und 40% investieren in die Personalgewinnung. Letzteres könnte bereits eine Folge des Fachkräftemangels sein, der aktuell von vielen Unternehmen in nahezu allen Branchen beklagt wird. Den Spitzenplatz der Investitionen belegten die Personalthemen allerdings nicht. Dort findet sich mit 57% der Nennungen das Thema Digitalisierung, wobei anzunehmen ist, dass hier durch die Corona-Pandemie zwangsweise ein Investitionsschub erfolgt ist und zahlreiche Investitionen vorgezogen wurden. Aus Platz zwei liegt mit 51% das Thema Prozessoptimierung. Hingegen sucht man einige Trendthemen vergeblich auf den Spitzenplätzen, so etwa das Thema Nachhaltigkeit (38%) oder CO2-Neutralität. Fazit der Studienautoren: Am Ende entscheiden bei den Investitioen immer noch die harten Fakten wie Effizienz und Effektivität.

Das Jahr 2021 war für Führungskräfte ohne Zweifel ein herausforderndes und eigentlich gilt das nicht nur für Führungskräfte.  Das Managementberatungsunternehmen Atreus hat 1000 Führungskräfte zu den Herausforderungen des Jahres 2021 befragt und kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die meisten Herausforderungen erfolgreich gemeistert wurden. Dabei gaben 35% der Befragten an, dass die Aufrechterhaltung der Lieferketten die größte Aufgabe des vergangenen Jahres war. Für meinen Blog finde ich den Blick nach vorn noch interessanter: Welche Themen stehen in Jahr 2022 im Fokus der Führungskräfte?

Auch hier sehen wir die deutlichen Spuren des aktuellen Fachkräftemangels an der Spitze der Nennungen. Aber auch viele Themen rund um Teambuilding, Zusammenhalt und Restrukturierung bedingt durch neue hybride Zusammenarbeitsmodelle wurden genannt. So beschäftigen sich die Führungskräfte mit flexiblen Arbeitszeiten in Büro und im Homeoffice, mit Präsenztagen und Teambuildingmaßnahmen. Ursache ist laut Studie vor allem, dass viele Firmen das „New Normal“ der Zusammenarbeit unter den neuen veränderten Rahmenbedingungen noch nicht gefunden haben und aktiv auf der Suche danach sind. Das verwundert aus zweierlei Gründen nicht, denn zum einen liegt diese Erkenntnis exakt im Trend anderer Befragungen, die ich in den letzten Monaten vorgestellt habe. Zum anderen beschäftigen wir uns nun etwa zwei Jahre mit der Suche nach einer neuen Form der Zusammenarbeit und es wäre überraschend, wenn dauerhaft tragfähige Modelle schon flächendeckend etabliert wären. Natürlich wird auch die Digitalisierung weiterhin als eine große Herausforderung des Jahres 2022 gesehen. Die Studienautoren haben außerdem sicher Recht, wenn sie zusammenfassend darauf hinweisen, dass viele dieser Themen auch unmittelbar mit dem Thema Unternehmenskultur zu tun haben. Diese zu stärken und neu zu definieren, könnte ein wesentlicher Nebeneffekt der aktuellen Herausforderungen sein.

Das Institut der deutschen Wirtschaft hat gemeinsam mit mehreren Partnern über 3600 Beschäftigte zu ihren Erfahrungen mit den Transformationsprozessen der letzten zwei Jahre befragt. Wie schon in vielen Studien zuvor, schätzen die Führungskräfte dabei die aktuelle Lage deutlich positiver ein als die Beschäftigten ohne Führungsverantwortung. Auf die notwendige regelmäßige kritische Selbstreflexion von Führungskräften habe ich ja schon oft hingewiesen.

Während 55% der Führungskräfte angaben, dass an einer verbesserten Fehlerkultur gearbeitet wird, nahmen dies nur 42% der Mitarbeitenden wahr. Während 37% der Beschäftigten angaben, dass ihr Unternehmen in Weiterbildung investiert, war dieses Bild mit 49% der Nennungen bei den Führungskräften erheblich positiver. 46% der Führungskräfte waren außerdem der Meinung, dass ihre Mitarbeitenden ausreichende Gestaltungsspielräume bei den aktuellen Veränderungsprozessen hätten. Leider waren nur 29% der Mitarbeitenden ebenfalls dieser Meinung.

Diese Diskrepanzen im Meinungsbild begleiten uns in den Umfragen seit Jahren und werden wohl immer ein Stück weit erhalten bleiben. Man kann den Führungskräften schließlich nicht verdenken, dass sie grundsätzlich davon überzeugt sind, einen guten Job zu machen. Die Studienautoren geben den Führungskräften dennoch die Empfehlung, in den aktuellen Transformationsprozessen noch stärker auf ihre Mitarbeitenden zuzugehen.

Künstliche Intelligenz ist auf dem Vormarsch, daran dürfte kaum ein Zweifel bestehen. Dies gilt vor allem bei der Übernahme monotoner Aufgaben und automatisierbarer Prozesse. Der TÜV-Verband legt eine Studie vor, in der nur 6(!)% der 1000 befragten Personen angeben, dass ihre Unternehmen sehr gut darauf vorbereitet seien. Im Bereich der KI besteht also nach wie vor großer Weiterbildungsbedarf! Die Studie zeigt, dass dafür nahezu alle in der Verantwortung gesehen werden: 78% forderten, die Unternehmen müssten mehr tun, 66% erwarten finanziellen Förderungen des Staates und 65% sehen vor allem die Beschäftigten selbst in der Weiterbildungsverpflichtung. Immerhin lässt die Studie einen leichten Aufwärtstrend erkennen: Haben in den letzten zwei Jahren 28% der Befragten eine Weiterbildung zum Thema KI besucht, so planen 34% der Befragten dies für die nächsten 12 Monate. Das Thema bleibt also präsent.

Zum Schluss noch ein kurzer Blick auf das Thema Einkommen als Jobkriterium. Die Unternehmensberatung Bain & Company hat dazu 20.000 Beschäftigte weltweit befragt und kommt zu dem Ergebnis, dass Einkommen an Bedeutung bei der Jobsuche verliert. Zwar wurde mit 22% der Nennungen immer noch der Spitzenplatz im Ranking erreicht, aber zahlreiche andere Themen haben an Bedeutung gewonnen. Die sind etwa:

  • eine interessante Tätigkeit                                        15%
  • eine sichere Anstellung                                                                    13%
  • Flexible Arbeitszeiten                                                           12%
  • Gute Beziehungen zu den Kolleginnen und Kollegen         10%

Fazit der Studienautoren: Eine deutliche Mehrheit setzt inzwischen bei der Jobauswahl andere Prioritäten als das Gehalt.

Ich kenne einige Arbeitgeber, die dies aus ihren subjektiven Erfahrungen heraus nicht bestätigen würden. Aber auch hier greifen sicher die simplen Marktmechanismen des Themas Fachkräftemangel. Wo die Nachfrage das Angebot übersteigt, steigen die Preise. Es bleibt spannend!

Alle zitierten Studien wurden veröffentlicht in der Ausgabe 08/2022 von managerseminare.