Der MP Impuls zur Selbstreflexion vom 08.10.2022

Als ich das obige Zitat von Peter Wohlleben, dem bekannten Förster und vielfachen Bestsellerautor in einem Interview mit Dr. Eckart von Hirschhausen las, gingen mir spontan zwei Gedanken durch den Kopf.

Der erste war: Stimmt!

Der zweite war: Und das gilt nicht nur für Bäume.

Wir können niemandem helfen, wenn wir selbst depressiv, mutlos, ausgelaugt, überlastet und ohne Energie sind. Mir ging auch meine aktuelle berufliche Situation durch den Kopf, in der ich als Business Coach zur Zeit verstärkt mit Menschen arbeite, die sich in Überlastungssituationen befinden, um das Wort Burnout hier mal nicht zu verwenden. Ganz offensichtlich ist es aktuell so, dass nach mehreren Coronajahren und den dazugekommenen Krisen wie Krieg und Energiekrise die Menschen zunehmend an ihre Grenzen kommen.

Da ist die langjährig erfahrene und erfolgreiche Ingenieurin, die plötzlich bei mir sitzt und schon im Kennenlerngespräch den Satz sagt: „Wenn ich meinen kleinen Sohn nicht hätte, weiss sich nicht, ob ich noch hier wäre.“ Da ist der Beamte, der seit vielen Jahren schwierige Situationen meistert, mit unterschiedlichen Chefs immer große Herausforderungen hatte, weil er stets auch ein Stück weit für seine Chefs mitarbeiten und mitdenken musste. Er erklärt mir plötzlich: „Ich weiß auch nicht, es hat sich eigentlich nichts geändert, aber ich komme an meinen Arbeitsplatz und breche in Tränen aus. Arbeiten kann ich nicht mehr.“ Da ist der Mitarbeiter einer Verwaltung, der erklärt, er habe seit Jahren viel zu tun. Das war immer normal, doch jetzt sind noch private Themen dazugekommen, und plötzlich geht es nicht mehr. Er schaffe es nicht mehr. „Ich kann mich nicht mehr aufraffen!“

Das sind nur drei meiner aktuellen Coachingmandate – ich könnte noch weitere anführen. Was ist passiert mit diesen Menschen, die plötzlich ihre eigenen Kompetenzen nicht mehr erleben, die das Gefühl haben, sich selbst nicht mehr helfen zu können und allein nicht mehr klarzukommen, obwohl sie so viele Jahre erfolgreich gearbeitet haben.

Die Ursachen sind vielfältig und liegen zum einen in einer Arbeitsüberlastung und Stress, zum anderen aber auch darin, dass Menschen Ängste und Sorgen haben und nicht wissen, wie es weitergeht. Unsicherheit ist für viele Menschen immer ein großer Stressfaktor und davon haben wir in unserer Zeit gerade mehr als genug. Aber ich stelle auch immer wieder fest, dass Menschen viel zu wenig über sich selbst wissen, um sich dann auch helfen zu können. Sehr oft bleiben meine Fragen wie z.B. „Was tut Dir denn gut?“ unbeantwortet. Wenn ich die Menschen frage, wann sie das letzte Mal in der Natur waren, schauen mich oft zwei nachdenkliche Augen an. „Wann hast Du das letzte Mal etwas gemacht, nur für Dich, einfach nur, weil es Dir guttut und Dir Spaß macht? Und was war das?“ Auch da schauen mich oft zwei leere Augen an. Unsere aktuelle Zeit ist geprägt davon, dass wir viel Arbeit haben, von Sorgen geplagt sind und keine Zeit mehr finden, damit wir uns mit uns selbst beschäftigen können. Wir vergessen, wer wir sind, was uns wichtig ist, und vor allem, was uns guttut. Wer aber nichts über sich weiß, der kann sich natürlich in schwierigen Situationen auch nur schlecht selbst helfen.

Was sind meine Werte? Was tut mir wirklich gut? Wenn ich diese Fragen nicht beantworten kann, dann ist es schwer, mir selbst zu helfen.

Es ist mehr als Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Diese Zeit ist etwas besonders Wertvolles und schon deshalb sollten wir alle es auch tun. Wer soll auf Sie Acht geben, wenn Sie das nicht selbst tun? Wer soll für uns da sein, wenn wir selbst nicht für uns da sind?

Ein schönes Beispiel von Achtsamkeit für sich selbst begegnete mir letzte Woche in einem Seminar. Ich begann mit einer neuen Gruppe Führungskräfte eine über mehrere Bausteine gehende Ausbildung. Mitten in einer intensiven Diskussionsrunde griff eine der Teilnehmerinnen nach ihrem Smartphone, schaute darauf und war für einen Moment abgelenkt. Sofort sprach sie mich an und sagte: „Das tut mir leid, ich bin Diabetikerin und habe gerade das Gefühl, das mein Zuckerspiegel absackt. Ich muss einmal schauen, wie es mir tatsächlich geht.“

Ich weiß nicht, ob ich auch nach außen wahrnehmbar gelächelt habe. Innerlich musste ich auf jeden Fall tief in mich hinein schmunzeln und habe für mich gedacht: „Wow, das ist genau das ich mir wünsche – Achtsamkeit für sich selbst!“

Wer soll auf uns achtgeben, wenn wir es nicht selbst tun? Im Moment aber tun das sehr viele Menschen offensichtlich nicht. Anders ist der sprunghafte Anstieg von Mandanten, die mit den oben genannten Problemen zu mir kommen, kaum zu erklären. Natürlich lässt sich niemand willentlich außer Acht vernachlässigt sich bewusst. Aber es häufen sich die Fälle, in denen die Menschen für sich selbst keine Zeit mehr haben und sich nicht um sich selbst kümmern.

Es sind oft unsere inneren Antreiber, die in Stresssituationen wie aktuell plötzlich über die Stränge schlagen und uns Dinge tun lassen, die uns nicht guttun. Es sind unsere Werte, die verletzt sind und die uns dann in die Enge treiben. Es ist die erlebte Hilflosigkeit, mit der wir oftmals nicht wissen, wie wir mit ihr umgehen sollen, weil wir zu unseren Kompetenzen gerade keinen Zugang mehr haben. All das sind oft unbewusste Prozesse, aber wenn die Überlastung zu groß wird, dann finden wir unsere Kompetenzen erst recht nicht mehr wieder, und die Hilflosigkeit nimmt weiter zu.

So erlebe ich das gerade bei vielen meiner Mandanten und ich kann mich keinesfalls darüber freuen, falls irgendjemand beim Lesen dieses Impulses meinen sollte, das sei doch gut für mich, denn dann habe ich ja viel zu tun. Ich arbeite gerne, aber diese Fälle müssen wirklich nicht noch häufiger werden.

Es gibt so viele andere Themen, an denen man auch arbeiten kann. Deshalb möchte ich diesen Impuls auch gar nicht allzu lange ausweiten, sondern möchte Sie ermuntern, über Folgendes nachzudenken:

Was tut Ihnen gut?

Was sind Ihre Werte?

Was sind Ihre Antreiber?

Wann haben Sie sich das letzte Mal mit sich selbst beschäftigt, wann haben Sie sich Zeit nur für sich selbst genommen?

Wie auch immer Ihre Antworten ausfallen, denken Sie an Folgendes: Wenn es Ihnen selbst nicht gut geht, dann können Sie niemand anderem helfen. Sie können nicht für die Familie da sein, nicht für die Firma, nicht für die Kolleginnen und Kollegen, ganz getreu dem Zitat von Peter Wohlleben: „Die Bäume haben nichts davon, wenn wir depressiv werden.“

So gilt es auch für alle anderen Menschen um uns herum und natürlich erst recht für uns selbst. Dieser Impuls ist vielleicht auch besonders gut geeignet, Ihnen zum Abschluss noch drei Fragen zu stellen, die ich aus den Weltbestsellern von John Strelecky aus der Reihe „Das Cafe am Rande der Welt“ entnommen habe. Und vielleicht haben Sie diese Fragen auch schon einmal gehört, wenn Sie eines der Bücher von John Strelecky gelesen haben. Die drei Fragen, die ich Ihnen zum Abschluss dieses Impulses stellen möchte, lauten:

Wer bist Du?

Warum bist Du hier?

Führst du ein erfülltes Leben?

Ich wünsche Ihnen ein schönes und entspanntes Wochenende.