Schlagwort: Sinnstiftung
Arbeitswelt und Führung: aktuelle Trends und Umfragen, Ausgabe 23.08.2021
In der Sommerzeit fallen auch die Veröffentlichungen von aktuellen Umfragen etwas knapper aus, so dass es in diesem Monat weniger zu berichten gibt. So hoffe ich, dass auch Sie alle Gelegenheit hatten, die sonnige Jahreszeit zu nutzen und viel Zeit an der frischen Luft zu verbringen. Falls das nicht der Fall war, rate ich dazu, dies baldmöglichst nachzuholen, denn das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und das Uniklinikum Hamburg Eppendorf haben in einer Studie die positive Wirkung von Zeit im Freien für unser Gehirn nachgewiesen. Verbrachten die Probanden Zeit im Freien, so profitierte davon ein Gehirnareal, das u.a. an der Handlungsplanung und der kognitiven Kontrolle beteiligt ist. Um ganz ehrlich zu sein: Das mir Zeit im Freien guttut, dafür brauchte ich eigentlich keine wissenschaftliche Studie, aber schaden tut sie ja auch nicht. Also: So oft wie möglich raus an die frische Luft!
Eines der aus meiner Sicht so überstrapazierten „Zauberworte“ unserer aktuellen Zeit ist Purpose. Als wenn eine sinnvolle und sinnstiftende Tätigkeit nicht schon immer einer der größten Arbeitsmotivatoren gewesen wäre – Studien dazu gibt es jedenfalls schon seit sehr langer Zeit. Die HR Agentur Königsteiner Gruppe legt nun eine neue Befragung von 1000 Berufstätigen vor. In dieser erklärt mehr als die Hälfte der Befragten, dass der Sinn der Arbeit einer der drei größten Anreize ist, wenn es um die Arbeitgeberwahl geht. 47% der Befragten stellen fest, dass ihr Job sie voll und ganz erfüllen sollte. Weitere 49% sagen, dass dies zumindest überwiegend der Fall sein sollte. Eine sinnstiftende Tätigkeit anzubieten, scheint damit also mehr denn je die Aufgabe der Arbeitgeber zu sein, zumal sich auch zwischen Akademikern und Nicht-Akademikern keine großen Unterschiede im Antwortverhalten ausmachen lassen. Die Corona-Krise hat offenbar auch dazu beigetragen, eine sinnhafte Tätigkeit noch mehr in den Fokus zu rücken, denn 28% der Befragten gaben an, dass ihnen dies heute noch wichtiger ist als vor Corona. Bemerkenswert ist, dass diese Verstärkung mit 41% der Befragten bei den unter 30jährigen am stärksten ausgeprägt ist. Da ich immer wieder von meinen Kunden höre, wie schwierig die Gewinnung guter Nachwuchskräfte bereits heute ist, kann man den Unternehmern nur raten, auf die Frage nach dem Sinn der Arbeit in ihren Unternehmen eine möglichst überzeugende Antwort zu haben und diese auch offensiv zu vermitteln. Ohne Sinnstiftung scheint eine Rekrutierung guter Nachwuchskräfte aktuell nur schwer möglich.
Immer wieder gern werden auch die Zukunftskompetenzen hinterfragt. Dieses Mal ist es das berufliche Netzwerk Xing, welches in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Marketagent eine entsprechende Befragung mit 1000 Teilnehmern durchgeführt hat. 82% der Teilnehmerinnen und Teilnehmer halten die Bereitschaft Neues zu lernen in ihrem Berufsleben künftig für sehr oder zumindest eher wichtig. Auch hier ist die Deutlichkeit des Ergebnisses möglicher Weise durch Corona beeinflusst worden, denn die Krise hat uns ja nahezu allen gezeigt, wie schnell die Notwendigkeit sich mit Neuem zu befassen, akut werden kann. Als weitere wichtige Zukunftskompetenzen wurden genannt:
Kommunikationsfähigkeit 82% (halten sie für sehr oder eher wichtig)
Leistungsbereitschaft 72% (dto.)
Die Befragung kommt auch zu dem sehr erfreulichen Ergebnis, dass nur 10% der Befragten keine Weiterbildungsbereitschaft zeigten. Das Gros der Beschäftigten ist also gewillt, sich den Herausforderungen aktiv zu stellen. Bei der Wahl der Trainingsform ergeben sich zwischen online und Präsenztrainings relativ ausgewogene Ergebnisse. Und schließlich bleibt noch die Frage, wer die Weiterbildung denn finanzieren sollte. 51% der Befragten waren nicht bereit, ihre Weiterbildung auch selbst zu finanzieren. Auch hier ist die Altersverteilung auffällig, denn die Jüngeren zeigten viel mehr Bereitschaft, sich an den Kosten zu beteiligen. In der Gruppe der 50-59jährigen waren hingegen nur noch 10% dazu bereit, ihre Weiterbildung auch selbst zu finanzieren. Wenn wir vielleicht alle bad bis 70 oder noch länger arbeiten müssen, kann man eigentlich nur dazu raten, diese Haltung doch noch einmal zu überdenken.
Welche persönlichen Eigenschaften einen beruflichen Erfolg fördern, ist häufig Gegenstand von Forschung, schließlich ist das ja auch eine spannende Frage. Die Universitäten Bern und Gent haben nun die andere Richtung untersucht, nämlich welchen Einfluss beruflicher Erfolg auf die Persönlichkeit hat. Wie ich finde, ist auch das eine ausgesprochen spannende Frage!
Über einen Zeitraum von 8 Jahren wurden dabei 4700 repräsentativ ausgewählte Berufstätige dreimal zu ihrem beruflichen Erfolg befragt. Gleichzeitig wurden die Ausprägungen der Persönlichkeitsmerkmale emotionale Stabilität, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit erhoben.
Die Psychologen konnten dabei einige signifikante Zusammenhänge feststellen. So sind erfolgreiche Menschen emotional stabiler und offener für Erfahrungen. Gleichzeitig sind sie auch weniger extravertiert. Man kann also sagen, dass erfolgreiche Menschen mehr Entspanntheit zeigten und besser mit Stress umgehen konnten bzw. sich weniger Sorgen machten. Die Forscher stellten außerdem fest, dass Erfolgreiche mit der Zeit offener im Denken und aktiver in ihrer Vorstellungskraft waren. Etwas schade ist, dass die Studie nicht nach den Gründen gesucht hat und so bliebe hier nur die Spekulation, auf die ich aber verzichten möchte. Erstrebenswert erscheinen diese Ergebnisse aber allemal.
„Diesmal kein Homeoffice?“, fragen Sie vielleicht. Nein, diesmal nicht. Sicher wieder beim nächsten Mal.
Blitzlicht: Sinnstiftung immer wichtiger (?)
Die Unternehmensberatung Odgers Berndtson legt eine Befragung von 2000 ManagernInnen vor, in der der Purpose eines Unternehmens als drittwichtigstes Element für die Bindung und Begeisterung der Mitarbeitenden und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens genannt wird. In den Vorjahren lag der Purpose noch auf Rang 5. Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass es für Führungskräfte bei der Arbeitgeberwahl immer wichtiger wird, den Sinn des eigenen Handelns zu erkennen. Als noch wichtiger wurden in der Befragung eine passende Unternehmenskultur und die Innovationsfähigkeit des Unternehmens bewertet.
So wichtig der Purpose zu sein scheint, nur 55% der Befragten gaben an, dass ihr Unternehmen über einen sinnstiftenden Purpose verfügt.
Soweit diese Befragungsergebnisse, zu denen ich mir zwei kritische Anmerkungen nicht verkneifen kann:
Die Befragungsergebnisse stehen eher im Widerspruch zu anderen aktuellen Befragungen, die ich hier in den letzten Tagen vorgestellt habe. Demnach traten in der Pandemie Sinnfragen eher in den Hintergrund und haben gegenüber Gehalt und Arbeitsplatzsicherheit aktuell an Bedeutung verloren. Das mag vielleicht aber eher eine kurzfristige Betrachtung sein, die den langfristigen Trend nicht bricht.
Die Aussage der Befragung insgesamt kommt allerdings auch eher daher wie „ganz alter Wein in neuen Schläuchen“. Dass eine sinnvolle Aufgabe die Menschen motiviert, wissen wir seit Jahrzehnten. Dies gilt logischer Weise sowohl für die eigene konkrete Aufgabe als auch für das Unternehmen insgesamt. Insofern darf man wohl berechtigter Weise fragen, was uns diese Befragung vermitteln will? Purpose mag ein schönes neues Wort sein, dass sehr modern daherkommt. Inhaltlich wird es nicht dadurch spektakulärer, dass im Moment alle gerne in den Mund nehmen.
(Quelle: managerseminare 2/2021)