Der MP Impuls zur Wochenende

Zu den klassischen Aufgaben eines Business Coaches gehört es immer wieder, mit seinen Klienten an einer gefühlten sehr hohen oder gar zu hohen Arbeitsbelastung zu arbeiten. Oftmals haben Coachingnehmer das Gefühl so viele Aufgaben bewältigen zu müssen, dass sie ihnen förmlich über den Kopf wachsen und der Berg von Arbeit über ihnen einzustürzen droht. Meine Klienten haben mehrfach solche oder ähnliche Bilder auf Flipcharts gemalt, als ich sie bat, die aktuell gefühlte Situation graphisch darzustellen.

Geht es um die Fragestellung der Priorisierung von Aufgaben, findet sehr oft das Eisenhower-Prinzip Anwendung. Der frühere amerikanische General und spätere US-Präsident  Dwight D. Eisenhower (1890-1969) entwickelte eine Matrix ausgehend von den beiden Komponenten Dringlichkeit und Wichtigkeit. Seine Vier-Felder-Matrix ist heute allgemein bekannt und wird häufig zur Priorisierung von Aufgaben verwendet.


Die recht einfach gehaltene Matrix von Eisenhower wird oftmals als ein nicht ausreichendes Arbeitsinstrument kritisiert, weil auch nach ihrer Anwendung in einzelnen Feldern zu viele Aufgaben enthalten sind. Kritiker meinen, dass damit für die Klienten keine ausreichend trennscharfe Arbeitsgrundlage geschaffen wird und so eine wirkliche Besserung ihrer Situation nicht erreicht wird. Ohne auf diese Kritik einzugehen, ist meine Erfahrung, dass die Matrix sehr oft den Zugang zu tieferliegenden Coachingthemen öffnet.

Entscheidend ist oftmals gar nicht die Frage in welches Feld wir eine Aufgabe letztlich einordnen. Wichtiger ist oftmals die Frage der Definition der zugrundeliegenden Begriffe. Meine Erfahrung ist, dass sich insbesondere am Begriff der Dringlichkeit die Geister scheiden.

In den letzten Wochen hatte ich gleich zweimal die Möglichkeit, mit meinen Klienten über die Definition von Dringlichkeit zu sprechen. Dazu zunächst mein Lieblingsbeispiel das ich im Coaching gerne erzähle:

„Dringlich ist, wenn vor unserem Herzzentrum ein RTW mit Sondersignal vorfährt und der betreuende Notarzt den Patienten mit den Worten „akuter Herzinfarkt, Patient beatmet und intubiert“ an den diensthabenden Arzt der Notaufnahme übergibt. In diesem Fall wissen alle Beteiligten, dass ein wirklich dringlicher Notfall vorliegt, bei dem sofort gehandelt werden muss, denn es geht offensichtlich um Leben und Tod.

Erzähle ich dieses Beispiel dann Schlucken meine Klienten sehr oft, was von mir auch beabsichtigt ist, denn dieses Schlucken leitet den Nachdenkprozess über die von ihnen als dringlich bezeichneten Sachverhalte ein.

Meine erste Gelegenheit am Thema Dringlichkeit mit meinen Klientinnen zu arbeiten war ein Team von Damen eines Kundenempfangs, die neben dem persönlichen Empfang der Kunden und der der Telefonzentrale auch diverse Sachbearbeitungsaufgaben durchzuführen hatten. Wenig verwunderlich klagten die Damen darüber, dass in Phasen intensiv eingehender Telefonate und zahlreichen Kundenandrangs sie nicht dazu kämen, ihre Sachbearbeitungsaufgaben zu bearbeiten, was Stress verursachte. Ich bat die Damen eine Wochenskizze anzufertigen und die Bereiche der Woche zu kennzeichnen in denen traditionell wenig Telefonate eingingen und wenig Kundenandrang herrschte. Es zeichneten sich zwei Nachmittage ab, an denen es sich also anbieten würde die Sachbearbeitungsaufgaben durchzuführen. Sehr schnell sträubten sich jedoch die Damen dagegen, die Sachbearbeitungsaufgaben in diese beiden Nachmittage zu verschieben, weil das nicht ginge. Als ich kritisch nachfragte warum nicht, stuften die Damen alle Aufgaben als so dringlich ein, dass es unmöglich schien diese, auf die beiden Nachmittage zu verschieben. Erst als ich mehrfach nachhakte, was denn passieren würde, wenn die eine oder andere Aufgabe nicht taggleich erledigt würde, kamen die Damen ins Grübeln. Die Antwort lautete nämlich in der Regel: Nichts!

Nun arbeiten die Damen an einem Priorisierungskatalog, um anschließend einen neuen Anlauf einer verbesserten Arbeitsaufteilung auf die Wochentage zu unternehmen.

Das zweite Beispiel für meine Arbeit mit der Eisenhower-Methode war eine Führungskraft in einem Finanzbereich, deren größte Belastung ein Jahresabschluss war, der bereits vor über einem Jahr hätte fertiggestellt sein sollen. Sie empfand diesen Jahresabschluss nunmehr als dringlich und die Tatsache, dass sie eigentlich keine Zeit hatte ihn zu bearbeiten, belastete sie sehr. Auch hier stellte ich einige Fragen:

Was ist bisher passiert, nachdem der Jahresabschluss nunmehr schon über ein Jahr überfällig ist?

Wurde euer Geschäftsführer entlassen oder ist er von Entlassung bedroht, weil der Jahresabschluss nicht fertig ist?

Droht die Aufsichtsbehörde mit irgendwelchen Konsequenzen?

Was ganz konkret passiert, wenn du den Jahresabschluss noch einmal um drei Monate verschiebst, weil dann neues Personal vorhanden ist, um diesen Jahresabschluss zügig und zeitnah zu bearbeiten?

Sie ahnen sicher bereits die Antworten, denn bislang war natürlich nichts passiert. Der Geschäftsführer war auch nicht entlassen worden und auch nicht von Entlassung bedroht. Die Aufsichtsbehörde drohte keine Konsequenzen an und mit einer ordentlichen Kommunikation an alle Beteiligten sah mein Klient kein Problem darin, die Bearbeitung noch einmal um 3 Monate zu verschieben. Im Gegenteil: Die dadurch entstehende Klarheit wäre sogar für alle Beteiligten vorteilhaft, da man dann genau wüsste, wann man mit einer Bearbeitung rechnen könnte.

Wir sehen also, dass Dringlichkeit ein extrem subjektiver Begriff ist und jeder den Begriff dringlich für sich selbst definiert. In meinen Beispielen waren die Aufgaben objektiv gesehen nicht wirklich dringlich, sondern es handelte sich lediglich um ein Gefühl, dass die Dinge jetzt getan werden müssten. Das möchte ich keinesfalls bagatellisieren, denn diese Gefühle belasten die betroffenen Menschen mitunter erheblich und machen ihnen den Arbeitsalltag unangenehm und schwer erträglich. Die Erkenntnis, dass ich es oftmals selber bin, der die Dringlichkeit künstlich herstellt, schafft neue Gestaltungsmöglichkeiten und befreit dann auch sehr oft schnell von den unangenehmen Gefühlen. Überlegen sie daher wirklich gut, was ihr konkreter Anteil an der Dringlichkeit ist und was wirklich und objektiv sofort getan werden muss, um akut drohende Konsequenzen abzuwenden. Häufig gibt es nämlich diese Konsequenzen gar nicht und wir sind es selbst, der eine Dringlichkeit herstellt, die es objektiv nicht gibt.


Nun also zu Ihnen:

Was ist bei Ihnen immer dringlich und belastet Sie, wenn Sie es nicht sofort erledigen können?

Was passiert wirklich, wenn Sie diese Aufgabe verschieben und erst später erledigen?

Auf welchen Zeitpunkt können Sie eine solche Aufgabe gut verschieben, so dass Sie Zeit für die Erledigung haben und keine negativen Konsequenzen zu befürchten sind?

Wer außer Ihnen könnte die Aufgabe genauso gut erledigen und sie damit entlasten?

Vielleicht ist ja dieses Wochenende genau das richtige, um erste Überlegungen in diese Richtung anzustellen. Und Sie sehen – die scheinbar so einfache Matrix von Herrn Eisenhower führt uns sehr oft zu tieferen Erkenntnissen und zur inneren Betrachtung von uns selbst.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

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