Vielleicht kennen Sie diese Geschichte, die in der Originalfassung, die ich hier deutlich gekürzt habe, von Bestsellerautor Martin Suter stammt:
Drei hochrangige Manager sitzen um einen Konferenztisch, denn heute ist ein wichtiger Tag. Zwei Bewerber präsentieren sich für die Stelle des Marketingchefs ihres Unternehmens. Die drei Manager sind edel gekleidet, dunkler Anzug, weißes Hemd, Krawatte mit Firmenlogo in dezentem Dunkelblau.
Der erste der beiden Kandidaten ist ein junger Mann knapp über dreißig, er trägt eine helle Stoffhose und ein buntes Hemd. Sein Haar ist wild, er ist voller Energie, spricht laut und klar und ist voller Tatendrang. Er hält eine mitreißende Präsentation am Flipchart, die er live zeichnet und die voller neuer Ideen ist. Er hat zahlreiche kreative Ansätze parat, zeigt neue Wege auf und vermittelt absolut überzeugend seine Vision einer erfolgreichen Kundenentwicklung für das Unternehmen. Die drei Manager sind begeistert, applaudieren mehrfach und sogar ein „Bravo-Ruf“ ist zu vernehmen.
Der zweite Bewerber ist zehn Jahre älter, er trägt einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und eine dunkelblaue Krawatte. Er wirkt gediegen und referiert zunächst lange und mit gedämpfter Stimme über seinen persönlichen Werdegang und die drei Topmanager erinnern sich sichtlich an ihre eigenen Lebensläufe. Er hat eine Präsentation auf Hochglanzfolien vorbereitet, die den üblichen Präsentationen des Managements zum Verwechseln ähnlich ist. Er geht alle Vertriebskanäle, die das Unternehmen bereits in Anwendung hat durch und lobt die weise und zukunftsgerichtete Aufstellung des Unternehmens. Er sei sicher, die Kunden werden bald erkennen, wie gut sie bei diesem Unternehmen aufgehoben seien. Neue Wege und Ideen brauche es nicht, weshalb er an dieser Stelle auch keine präsentieren möchte. Die drei Manager gähnen mehrfach ausgiebig und der Vorstandsvorsitzende lässt sich gar zu einem „weiter, weiter, das kennen wir schon“ hinreißen. Nach dem Auftritt des Bewerbers gehen die drei erstmal in eine ausgiebige Mittagspause, man braucht Koffein.
Am Abend kommt einer der drei Manager nach Hause und seine Frau begrüßt ihn neugierig mit den Worten: „Und, erzähl, wie war Euer Auswahlverfahren, wer ist es geworden?“
Nun, Sie liebe Leserinnen und Leser, ahnen sicher schon die Antwort, die da lautete:
„Wir hatten einen perfekten Bewerber, der sowohl im persönlichen Auftreten als in der strategischen Analyse unserer Vertriebswege zu 100% zu uns, unserer Ausrichtung und unserer Denkweise passt. Besser hätte es nicht laufen können, wir sind sehr zufrieden und haben uns natürlich für den zweiten Kandidaten entschieden.“
In meiner Coachingarbeit begegnen mir immer wieder Manager, die sich beklagen zu wenig Feed-Back zu bekommen. Je höher in der Unternehmenspyramide desto weniger und ganz oben bist Du oft ganz allein. Viele wünschen sich zwar kritisches Feed-Back, bekommen es aber nicht. Ohne Feed-Back fehlt dann sehr oft eine kritische Reflektion und die Gefahr, Dinge zu einseitig zu sehen und dadurch Fehler zu machen, steigt. Manche Menschen fangen dann auch an, sich „in der Sonne zu aalen“, getreu dem Motto: „Mir widerspricht ja keiner, also muss es richtig sein.“ Das ist sehr oft leider ein allzu kurzsichtiger und gefährlicher Trugschluss.
Wollen Führungskräfte wirklich ein konstruktiv kritisches Feed-Back aus ihrem Umfeld erhalten und dazu kann man sie nur ermutigen, dann müssen sie schon bei der Auswahl ihrer Mitarbeitenden insb. im nahen Umfeld besonders sorgfältig vorgehen. Mit der Kopie meiner selbst werde ich mich wahrscheinlich gut verstehen und vielleicht sogar schnell Freundschaft schließen, aber dafür werde ich halt meist auch nur ein Echo bekommen und keine kritische Reflektion oder gar eine kontroverse Meinung, welche die Sache durchaus voranbringen könnte. Auch ist der Umgang mit kritischen Äußerungen sehr wichtig, denn wenn ihre Mitarbeitenden erstmal gelernt haben, dass solch kritische Rückmeldungen gar nicht erwünscht sind und eh nichts bewirken, dann stellen die Mitarbeitenden ihr Feed-Back auch schnell wieder ein. Wer will sich schon ständig den Ärger des Chefs bzw. der Chefin zuziehen? Wer wirklich offene und ehrliche Reflektion und Feed-Back haben möchte, der muss dafür auch die notwendige offene und positive Feed-Back-Kultur schaffen.
Ich hatte in meinem Berufsleben das Glück, einmal für einen Chef arbeiten zu dürfen, der genau das geschafft hat. Er sagte einmal zu mir: „Ich habe Sie ganz bewusst als meinen Stellvertreter eingestellt, weil Sie so ganz anders sind als ich. Mich selbst habe ich ja schon.“ Da hatte er wohl recht.
„Be a voice, not an echo.”, zu diesem Spruch hätte man sicher ganz verschiedene Impulse schreiben können, ich belasse bei diesem und schließe noch zwei Fragen für Sie an:
Wer sind ihre konstruktiv kritischen Feed-Back-Geber und wie gehen Sie mit ihnen um? Erleben diese genug Wertschätzung von Ihnen?
Für wen könnten Sie eine Stimme und nicht nur ein Echo sein?
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