Deutschland gehen die Führungskräfte aus

Deutschland steuert offenbar auf einen Mangel an Führungskräften zu, denn keiner will mehr führen!

Das jedenfalls legt eine aktuelle online-Umfrage der Boston Consulting (BCG) Group nahe, wonach in Deutschland nur 7% der Mitarbeiter in den nächsten fünf bis zehn Jahren eine Führungsposition anstreben. Und auch wenn wir aktuell viele Trends zu selbstorganisierten Teams und Arbeitsformen haben, ohne Führung wird es auch zukünftig nicht gehen.

Für die Studie hat BCG mehr als 5000 Personen in fünf Ländern befragt (Deutschland, USA, Frankreich, Großbritannien und China). Die Ergebnisse sind alarmierend!

Noch schlechter sehen in Deutschland die Ergebnisse im Bereich der Selbständigkeit aus. Nur 6% der Befragten wollen künftig selbständig arbeiten – zum Vergleich: in den USA immerhin 29%.

Die Studie bestätigt damit erneut frühere Befragungen, demnach junge Menschen keine Lust mehr haben, Verantwortung zu übernehmen und Managementaufgaben auszuüben. Offensichtlich gilt – im Gegensatz zur Generation X – aktuell der Aufstieg in die Führungsebene nicht mehr als besonders erstrebenswert.

Neben dem allgemeinen Wertewandel, der die Gewichtung der Lebenszeit eher von Arbeit zu Freizeit verschiebt, dürfte dabei vor allem eine Rolle spielen, wie die eigenen Führungskräfte heute erlebt werden. Und da liefert auch diese Studie wieder einmal wenig erfreuliche Ergebnisse. Gerade mittlere Führungsebenen fühlen sich aufgerieben zwischen den diversen Anforderungen aus allen Richtungen und den zusätzlich oftmals in erheblichem Ausmaße vorhandenen Sachaufgaben. Gleich 28% der befragten Führungskräfte gaben an, am liebsten gar nicht mehr arbeiten zu wollen. Soweit – so bekannt, könnte man sagen. Neu ist allerdings, dass die Ebene des mittleren Managements inzwischen offenbar davon ausgeht, dass es ihre Führungsebene in Zukunft gar nicht mehr geben wird. Viele Befragte gaben an, dass ihre Ebene in Zukunft überflüssig sein wird.

Dazu kommt außerdem die Wahrnehmung, dass gegenüber früher der Managerjob schwerer geworden ist. Das glauben gleich 82%(!) der befragten Führungskräfte. Kaum zu glauben, aber damit sieht es in Deutschland sogar noch besser aus als in Frankreich (85%) und Großbritannien (83%). Mehr als ein Drittel (34%) deutscher Führungskräfte gaben an, überfordert zu sein und 64% sagten, sie seien häufig gestresst.

Überfordert, gestresst, zerrieben zwischen Fach- und Führungsaufgaben, das ist offenbar das Bild, das viele Führungskräfte ihren Mitarbeitern heute vermitteln. Hätten Sie Lust auf so einen Job und das wahrscheinlich auch noch mehr als 60 Stunden pro Woche? Ich finde es sehr nachvollziehbar, dass die junge Generation nicht mehr führen und keine Managementverantwortung mehr tragen will.

Aber wie immer im Leben – alles hat auch eine positive Seite. Da es – allen Selbstorganisationstrends zum Trotz – in absehbarer Zeit ohne Führungskräfte nicht gehen wird, haben diejenigen, die sich bewusst für eine Führungsaufgabe entscheiden, aufgrund geringerer Konkurrenz besonders gute Entwicklungs- und Aufstiegschancen.

Und ich stelle den aktuellen Erkenntnissen einmal bewusst vier Thesen entgegen, warum es gerade in Zukunft Spaß machen wird, Führungskraft zu sein:

  1. Selten waren Mitarbeiter so gut ausgebildet wie heute. Immer wieder werden Freiräume in der Aufgabenerledigung eingefordert. Eine Ergebnisorientierung rückt immer mehr in der Vordergrund. Wer bereit ist, Freiräume zu geben, kann auf motivierte Mitarbeiter setzen, die viel voranbringen und erfolgreich gestalten, aber eben selbst nicht führen wollen.
  2. Fachwissen verliert dramatisch an Bedeutung – für Führungskräfte. Sachaufgaben gehören auf die Mitarbeiterebene und dieser Trend beschleunigt sich. Die Führungskraft von morgen wird mehr Zeit für wirkliche Führung haben.
  3. Vielen Führungskräften fällt es schwer, Entscheidungen zu treffen – sie könnten ja Fehler machen. In Zukunft werden immer mehr Entscheidungen dort getroffen werden, wo die Kompetenz für das Thema am ausgeprägtesten ist: direkt in den selbstorganisierten, autonomen Teams. Die Führungskraft von morgen wird also mehr Netzwerkmanager und Motivator und weniger “einsamer” Entscheider sein.
  4. Befehl und Gehorsam sind out, Unterstützung, Augenhöhe und Miteinander sind in!
    Die Führungskraft von morgen ist gleichberechtigter Partner, Coach und (Team-) Entwickler. Da kommen ganz neue spannende Aufgaben auf die Führungskräfte zu, die Spaß machen und auch eine persönliche Weiterentwicklung darstellen – das sollte doch reizvoll sein. Der BCG Studie nach werden Führungskräfte heute noch als Menschen wahrgenommen, die in erster Linie inhaltlich arbeiten, Arbeit koordinieren und Entscheidungen treffen. Von dieser Rolle wird nicht viel übrig bleiben und die neue Rolle verspricht deutlich attraktiver zu werden.

Fazit:

Es lässt sich aktuell nicht wegdiskutieren – Führungskraft wird vielfach nicht als angenehmer Job erlebt und es verwundert kaum, dass immer weniger Menschen eine solche Aufgabe anstreben. Dies eröffnet besonders gute Chancen für diejenigen, die sich bewusst für Führung entscheiden und bereit sind, sich mit den aktuellen Trends zu einer modernen Führungskraft zu entwickeln: eher Teamplayer als Patriarch, eher Coach als Entscheider, eher Netzwerker als Wissenshorter.

Könnte Spaß machen? Finde ich auch!

2 Gedanken zu „Deutschland gehen die Führungskräfte aus“

  1. Das Ergebnis deckt sich mit meinen Beobachtungen aus der Praxis. Allerdings messen diese Zahlen lediglich einen Zustand, den wir kennen. Wir gehen mit den uns bekannten Annahmen heran. Allerdings gelten diese m.E. in der VUKA Welt nur noch bedingt (oder doch? Wer weiß?). In meinem Buch “Der Millennial Schock” habe ich mich damit auseinander gesetzt wie wir gemeinsam in die Zukunft gehen können.
    Es handelt sich hier m.E. um ein systemisches und strukturelles Problem: Die Generation, die die Erfolge der letzten Jahrzehnte in den Unternehmen ermöglicht haben, geben den nachkommenden Kollegen kaum Gestaltungsspielräume. Diese sind aber zwingend erforderlich um zu wachsen. Irrigerweise unterstellen die handelnden Personen allerdings, dass die Grundannahmen dessen wie Business bisher erfolgreich funktioniert hat, auch weiterhin von Gültigkeit sind. Viele Führungskräfte sind sehr beschäftigt mit der Abwicklung des aktuellen Geschäfts, sind derart eingespannt, dass sie kaum Freiräume sehen für ihre eigenes Lernen. Das führt dazu, dass sie weiterhin das denken und abrufen, was sie kennen und was sie erfolgreich gemacht hat. Das funktioniert nur einfach nicht mehr. Hinzu kommt, dass sie die Macht haben zu entscheiden, wen sie empowern und wen eben auch nicht.
    Die nachrückende Generation kann nicht auf Erfahrungswissen zurückgreifen und nimmt daher wahr, dass hier etwas nicht zusammen passt. Führung heißt Fordern und Fördern. Das impliziert auch, dass ich mich und mein Handeln und Verhalten reflektiere und weiterentwickle.
    Wir können die Zukunft nur gemeinsam meistern. Gemeinsam heißt voneinander zu lernen, einander zu zu hören -ohne gleich eine Antwort auf die Fragen zu haben, einander auf Augenhöhe zu begegnen. Wenn wir an unserem Menschenbild arbeiten, entsteht automatisch ein neues Verständnis für Führung, das ganz anders aussehen kann, als wir es uns heute vorstellen.
    Brückenbauen, Ego in Check, Augenhöhe und Begeisterung sind m.E. wichtige Treiber, um zukunftsfit zu sein.
    Ich freue mich drauf!

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