Erst vor ein paar Tagen (10.01.2022) habe ich in meinem Blog einen Blick auf eine Studie zum Thema Depressionen geworfen. Rund 40% der Befragten in dieser Studie hatten schon einmal eine diagnostizierte Depression oder nahmen an, sie seien an einer Depression erkrankt, ohne dass sie diese von einem Arzt diagnostizieren ließen. Nun legt eine Befragung im Auftrag der Dekra den Schluss nahe, dass gerade psychische Erkrankungen von den Arbeitgebern oft ignoriert werden. Von den 1.014 befragten Beschäftigten gaben nämlich nur 31% an, dass es in ihrem Unternehmen eine psychische Gefährdungsbeurteilung gibt. Kein Wunder also, dass die Studienautoren an die Unternehmen appellieren, dieses Thema ernst zu nehmen. Seit Jahren nehmen in allen Veröffentlichungen der großen Krankenkassen die Fehlzeiten aufgrund von psychischen Erkrankungen kontinuierlich zu und sind vielfach bereits zur Hauptursache für Krankschreibungen geworden. Im Jahr 2020 wurde mit 265 Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen pro 100 Beschäftigten ein neuer Höchstwert erreicht. Kaum verwunderlich angesichts der vielfältigen Herausforderungen, vor denen Menschen durch Corona plötzlich standen. Bei solchen Zahlen sollten die Unternehmen auch ein signifikantes Eigeninteresse haben, sich diesem Thema intensiver anzunehmen. 65% der Befragten hatten übrigens den Eindruck, dass sich ihr Arbeitgeber aktiv um das Wohlbefinden und die Gesundheit seiner Mitarbeitenden kümmert – insgesamt scheinen die Arbeitgeber also bereits auf einem guten Weg.
Dass gerade das Thema psychischer Erkrankungen noch Nachholpotential bei den Unternehmen hat, könnte auch mit dem Führungsverhalten der leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu tun haben. Das jedenfalls legt eine Befragung der Fa. Softgarden, Anbieter einer Recruitingsoftware, nahe, in der 3.500 Bewerberinnen und Bewerber sowie 250 HR-Verantwortliche zu den künftigen Herausforderungen im Führungsalltag befragt wurden. Gleichzeitig sollten die Studienteilnehmer auch einschätzen, wie gut die aktuellen Führungskräfte bereits heute auf diese Herausforderungen vorbereitet sind. Während 88% der Befragten es für wichtig hielten, auf die psychische Gesundheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu achten, glaubten nur 39%, dass die Führungskräfte dafür aktuell bereits die notwendigen Fähigkeiten haben. Eine größere Diskrepanz in den Einschätzungen ergab sich in keinem anderen Punkt!
Auffällig auch die Diskrepanz beim Thema Führung auf Distanz. Hier glaubten 80% der Befragten, dass dieses Thema künftig eine wichtige Führungsherausforderung ist. Nur 41% glaubten, dass die Führungskräfte dafür bereits heute gut aufgestellt seien. Hier muss man sicher die Entwicklung der letzten zwei Jahre berücksichtigen, in denen das Thema für viele Führungskräfte neu hinzugekommen ist. Die Diskrepanzen in diesem Bereich verwundern also nicht.
Angesichts der weiteren Differenzen, etwa bei den Themen „Mitarbeitende motivieren“ oder „Zusammenarbeit organisieren“, überrascht es nicht, dass etwa die Hälfte der Befragungsteilnehmer auch dafür plädierte, „ungeeignete“ Führungskräfte zu entlassen bzw. zu ersetzen. Aber selbst wenn Unternehmen dies wollten, dürften sie in ein Dilemma laufen, denn ich habe schon mehrfach auf Studien verwiesen, dass gar nicht genug Führungskräfte nachwachsen. Verantwortung in Form von Führung wird von vielen jungen Menschen heute gar nicht mehr angestrebt, also woher sollen neue Führungskräfte kommen? Vielleicht ist daher der zweite Lösungsansatz, der in dieser Befragung herausgearbeitet wurde, vielversprechender: Immerhin jeder dritte Bewerber und jeder vierte HR-Verantwortliche sprach sich dafür aus, Führungskräfte zu reduzieren und stärker auf Selbstorganisation der Teams zu setzen. Ein „Allheilmittel“ wird auch das in meinen Augen allerdings nicht sein.
Mit einer weiteren wichtigen Führungsaufgabe, nämlich dem Feedback, haben sich Forscherinnen in zwei weiteren Experimenten mit insgesamt 250 Teilnehmenden befasst. Einigkeit herrscht sicher schnell darin, dass Feedback eine wichtige Voraussetzung für die persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeitenden ist. Es ist umso nützlicher, je ehrlicher und qualifizierter es gegeben wird. Vermuten könnte man eigentlich, dass sich bei einer solchen Untersuchung keine geschlechtsspezifischen Unterschiede feststellen lassen, also Männer und Frauen gleichermaßen ein qualifiziertes Feedback erhalten. Doch die Studie kommt zu anderen Ergebnissen. Frauen erhalten ganz offenbar ein weniger akkurates Feedback als Männer und außerdem eines, das deutlich ins Positive verzerrt ist. Im Experiment wurde Frauen gegenüber deutliche Kritik vermieden und die den Probandinnen kommunizierte Bewertung wich um eine volle Note nach oben ab. Damit wurden Frauen viel stärker in ihren Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt als Männer, denn wie soll jemand sein Verhalten ändern, wenn ihm die Notwendigkeit dazu gar nicht vermittelt wird? Im Ergebnis kommen die beiden Forscherinnen dazu, dass Frauen in ihren Möglichkeiten, die eigenen Leistungen aufgrund des erhaltenen Feedbacks adäquat einzuschätzen, deutlich eingeschränkt sind. Wenig verwunderlich appellieren sie daher an die Führungskräfte, Feedback möglichst wahrheitsgemäß zu geben und nicht zu verweichlichen – und dies bitte egal, ob gegenüber Männern oder Frauen. Ich fände es an dieser Stelle sehr interessant, in die Ursachenforschung einzusteigen. Warum wird Männern gegenüber Feedback, insbesondere kritisches Feedback, ehrlicher und offener gegeben als Frauen gegenüber? Die Studie sagt dazu nichts aus und spekulieren möchte ich wie immer nicht.
Ein qualitativ wertvolles Feedback zu bekommen und sich beruflich weiterentwickeln zu können – wie wichtig ist das in der heutigen Zeit überhaupt noch? Verstärkt lesen wir doch immer wieder, dass gerade viele junge Menschen, den Fokus nicht mehr primär auf den beruflichen Erfolg richten und Karriere zu machen, nicht mehr das Wichtigste ist.
Das Rheingold Institut, ein Anbieter für tiefenpsychologische Marktforschung, hat in einer online-Befragung 1.000 Deutsche ab 18 Jahren zu ihren Lebenszielen befragt. 25% der Teilnehmer rankten „sich beruflich verwirklichen, erfolgreich sein und sich stetig weiterentwickeln“ mit 1, also als sehr wichtiges Lebensziel (Skala von 1 bis 4). Weitere 27% vergaben eine 2 und 29% eine 3. Nun überlasse ich die Bewertung Ihnen: Nur 25% vergaben eine 1? Empfinden Sie das als wenig oder ist es weit mehr, als Sie erwartet hätten? Unter den 9 Themen, die in der Befragung gerankt werden sollten, wurden jedenfalls nur zwei Themen häufiger mit einer 1 gerankt: „Zurücklehnen und das Leben genießen“ rankten 34% der Teilnehmenden mit 1 und „eine Familie gründen und sich um diese kümmern“ rankten 32% als sehr wichtiges Lebensziel. Ich für mich komme jedenfalls zu folgendem Fazit: Als unwichtig kann man die berufliche Entwicklung für die allermeisten Menschen auf keinen Fall einstufen.
Ein interessantes Nebenergebnis dieser Umfrage ist , wie zufrieden die Menschen eigentlich mit ihrer aktuellen Lebensphase sind. In der öffentlichen Berichterstattung dominieren nach meiner Wahrnehmung deutlich die Stimmen der Unzufriedenen, die sich mit den aktuellen Gegebenheiten und Einschränkungen schwertun. Die Befragungsergebnisse sind sehr geteilt: 30% empfinden das Leben aktuell als schwierig und herausfordernd, während 31% gerade ihren Lebensstandard genießen und froh sind, „einen Gang runterschalten“ zu können. Wie so oft sehen wir, dass die öffentliche Wahrnehmung, die die Medien vermitteln, keinesfalls die ganze Wahrheit ist. Ihre persönliche Bewertung der aktuellen Situation können Sie ohnehin nur selbst vornehmen.
Ein ganz anderes Befragungsthema begegnete mir auch in den letzten Tagen und wenn man wie ich mit Star Wars aufgewachsen ist, dann hat man von der „dunklen Seite der Macht“ ja sofort eine gewisse Vorstellung. Konkret setzte sich die Forschung mit dem Thema auseinander, inwieweit die Persönlichkeitseigenschaften Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie bei Führungskräften ausgeprägt sind. Diese drei Eigenschaften werden gern als die „Dunkle Triade“ bezeichnet. Wenig überraschend sind diese drei Persönlichkeitsmerkmale bei Führungskräften häufiger anzutreffen als bei Mitarbeitenden ohne Führungsaufgaben. Aber gibt es auch eine Korrelation zwischen Hierarchie und Ausprägung, also sind diese Persönlichkeitseigenschaften im TOP-Management tatsächlich häufiger und stärker ausgeprägt? Was meinen Sie? Darüber spekuliert haben wir doch sicher alle schon einmal, weil fast jeder den ein oder anderen kennt, auf den das eine oder andere Persönlichkeitsmerkmal zutrifft. Tatsächlich stellten die Forscher eine positive Korrelation fest:
Je höher die Führungsebene, desto stärker und häufiger ausgeprägt waren die Persönlichkeitseigenschaften Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie.
Bei der Suche nach Erklärungen konnte gezeigt werden, dass solche Menschen oft sehr charismatisch sind. Sie sind auch gut darin, die Gedanken ihrer Mitmenschen zu verstehen und diese entsprechend zu lenken. Sie haben außerdem eine große Motivation an die Spitze zu gelangen, Macht auszuüben und bewundert zu werden. Alles Eigenschaften, die für Karrieren in Unternehmen durchaus hilfreich sind.
Die Befragungsergebnisse sind brisant, denn dieser Typus Mensch kann auch großen Schaden anrichten. Umso wichtiger ist es gerade auf den oberen Hierarchieebenen sich regelmäßig selbst zu reflektieren und sich mit „Sparringspartnern“ zu umgeben, die den Spiegel vorhalten und helfen, sich selbst, die Unternehmen und die Mitarbeitenden vor möglichen negativen Auswirkungen dieser Persönlichkeitseigenschaften zu schützen.
Zum Schluss dieses aktuellen Überblicks noch drei kurze Blitzlichter, ohne dass ich die Ergebnisse vertiefen möchte:
In einer Befragung der IU Internationale Hochschule unter 3.500 Menschen zwischen 26 und 55 Jahren sahen 65% der Befragten regelmäßige Weiterbildung als wichtig an. Nur 48% waren allerdings an einer privaten Weiterbildung mit beruflichem Fokus interessiert. Das liegt möglicherweise auch daran, dass sie gar nicht wissen, worin sie sich weiterbilden sollen. 29% waren nämlich unsicher und 27% wussten überhaupt nicht, welche Qualifikationen von ihnen verlangt werden. Auch die Kosten spielen eine Rolle, denn 35% war eine private Weiterbildung schlicht zu teuer.
Das Umweltbewusstsein der Unternehmen wird offenbar immer wichtiger. In einer Befragung der HR-Beratung Königssteiner Gruppe gaben 60% der Befragten an, dass ihnen das Umweltbewusstsein des Arbeitgebers wichtig sei.
Als letztes noch ein Blick in Richtung Homeoffice, dem aktuellen Dauerthema. Viele Beschäftigte haben das Homeoffice schätzen gelernt, so ermittelte die Uni Konstanz. In ihrer Studie, für die in regelmäßigen Abständen immer wieder über 700 Beschäftigte befragt wurden, möchten Arbeitnehmende seit Frühjahr 2020 durchschnittlich 2,9 Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten. Auffällig: Besonders Jüngere präferieren das Homeoffice und würden dafür sogar Gehaltseinbußen akzeptieren.
Viele spannende Themen, die uns aktuell begleiten. Auch in meiner Arbeit mit Führungskräften sind die Themen vielfältig und herausfordernd. Keine Frage, die aktuelle Zeit ist spannend und wird es bleiben. Also, bis zum nächsten Mal und sollten Sie ein Thema mit mir vertiefen wollen, dann freue ich mich darüber natürlich.