Vielleicht geht es Ihnen ja gerade wie mir, als ich den Spruch las, der diesem Impuls voransteht. Mein spontanes Bild im Kopf: Ich schlendere gedankenverloren auf einem Waldweg an unserem großen See entlang und schaue auf das Wasser, suche mit den Augen nach Tieren oder anderen Objekten auf dem See. Den Weg, auf dem ich gehe, nehme ich gar nicht wahr. Bis ich plötzlich gegen eine dicke Wurzel trete, ins Stolpern gerate und gerade noch verhindern kann, dass ich hinfalle. Schlagartig verändert sich meine Aufmerksamkeit, denn ich bekomme einen Schreck! Die nächsten Minuten schaue ich sorgfältig, wo ich hintrete und achte nur noch auf den Weg vor mir. Mein Aufmerksamkeitsfokus hat sich verändert – ich träume nicht mehr vor mich hin, ich gehe jetzt kontrolliert, sozusagen gesteuert durch meine Gedanken. Es hat also ein Wechsel von unbewusstem zu bewusstem Handeln stattgefunden.
Ähnliche Situationen kennen Sie alle, sie sind ganz typisch für unser Leben. Die meiste Zeit agieren wir ohne nachzudenken aus dem Unbewusstsein heraus und das funktioniert wunderbar. Wir haben ja auch deutlich mehr unbewusstes als bewusstes Wissen. Unser Gehirn stellt dabei permanent eine Prognose auf, was wohl als nächstes passieren wird und wenn das dann auch passiert, ist alles gut. Tritt plötzlich ein anderes Ereignis auf, bekommen wir einen Schreck, also ein Signal unseres Gehirns: “Obacht, hier ist was los!” Genau das passierte, als ich gegen die Wurzel trat. Im großen und ganzen ist es natürlich gut, dass wir überwiegend aus dem Unbewusstsein heraus handeln, wobei unser Gehirn ja auf unseren reichhaltigen Erfahrungsschatz zurückgreift, der für viele Situationen genau die passenden Lösungen anzubieten hat. Stellen Sie sich vor, Sie müssten beim Spazierengehen über jeden Schritt aktiv nachdenken – würde irgendwie nicht funktionieren. Im Allgemeinen ist unbewusstes Handeln also sehr hilfreich und zweckdienlich, aber natürlich nicht immer.
Denn die gleichen Funktionsweisen unseres Erlebens laufen auch im Berufsleben ab und schon häufig habe ich meinen Klienten diesen Effekt bewusst gemacht, weil wir damit eine Lösung für das aktuelle Problem schaffen konnten. Auch im Berufsleben fallen wir nämlich häufig in unbewusste Handlungsmuster zurück, obwohl sie zu Ergebnissen führen, die wir eigentlich gar nicht wollen. Leider ist unser Unbewusstsein immer schneller als unsere Kognition. Bevor wir also nachdenken, hat unser Unbewusstsein oftmals schon mit einer nicht zweckdienlichen Handlung agiert. Wollen wir diesen Automatismus verhindern, müssen wir unser Gehirn “austricksen”.
Ein Beispiel veranschaulicht das besser, als eine rein theoretische Beschreibung. Vor einigen Jahren arbeitete ich mit dem Inhaber einer kleinen IT-Firma, der sich selbst als zu nachsichtig beschrieb. Immer wieder gab er den Wünschen seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach, obwohl das für die Firma nachteilig war oder er selbst die Defizite durch Mehrarbeit, die er eigentlich nicht leisten wollte, ausgleichen musste. Sein Unternehmen war so klein, dass er einmal in der Woche alle Mitarbeitenden zu einer Teambesprechung versammeln konnte. In dieser sei er dann immer so nachgiebig, er wolle ein guter Chef sein, es seinen Mitarbeitenden recht machen und gemocht werden. Bei Urlaubsfragen, Brückentagen, langen Wochenenden und vielen anderen Punkten gebe er in diesen Sitzungen einfach immer nach, auch wenn er sich vornehme, standhaft zu bleiben. Ob er es wolle oder nicht, werde er automatisch zum “kleinen Mäuschen” und sage immer ja.
Sie haben es sicher schon bemerkt, ein unbewusstes Handlungsmuster in seinem Kopf ist offenbar sofort aktiv, ehe er ins nachdenken kommen kann, um zu anderen Lösungen zu kommen.
“Statt dem Mäuschen, wer wärst Du denn gerne in solchen Situationen?”, fragte ich ihn und die Antwort kam prompt.
“Ich wäre gerne der brüllende Löwe, der aufschreit, seine Position und auch die Position der Firma verteidigt und allen klarmacht, wessen Revier das hier ist. Nach dem Brüllen kann man dann ja gemeinsam eine Lösung suchen, die für alle, also die Firma, mich und auch meine Mitarbeitenden die beste ist.”
Damit lag die Lösung schlagartig auf der Hand: Ein einfaches “denk an den Löwen” würde aber wohl nicht ausreichen, um das Unbewusstsein auszutricksen. In solchen Fällen haben sich haptische Symbole in meiner Arbeit als sehr hilfreich erwiesen, denn unser Gehirn arbeitet mit Bildern. Nehme ich also das Bild des Löwen aktiv mit, dann sind meine Gedanken so auf ihn gerichtet, dass es dem Unbewusstsein viel schwerer fällt, an ihm vorbeizukommen. Das bewusste Denken, das ja gerade an den Löwen denkt, bremst es aus. Es ist sozusagen, das Stolpern auf dem Waldweg und macht den Weg frei für eine neue Aufmerksamkeit und Achtsamkeit.
Diese Idee gefiel meinem Klienten, er kaufte im Spielwarengeschäft einen Löwen der Firma Schleich, der groß und eindrucksvoll war und stellte ihn auf eine Kommode, an der er immer vorbeigehen musste, wenn er in den Meetingraum ging, in dem die Besprechungen mit seinen Mitarbeitenden stattfanden.
“Na, hat es funktioniert?”, fragte ich ihn zu Beginn des nächsten Coachings etwa sechs Wochen später.
“ROOOOOOOOOOAAAAAAAAAAR!!”, kam die eindeutige Antwort.
Nun also sind Sie an der Reihe, zu überlegen, ob und wenn ja wo Ihnen vielleicht unbewusst ablaufende Verhaltensweisen im Wege stehen.
In welchen Situationen tun Sie Dinge, die Sie eigentlich gar nicht wollen?
Wo sagen Sie häufig “ja”, obwohl Sie viel lieber “nein” sagen würden?
Wenn Sie mal wieder “stolpern” würden, wozu würde die neue gewonnene Aufmerksamkeit führen?
Falls sie eine Situation gefunden haben, in der Sie Ihr Verhalten ändern möchten, welches haptische Symbol könnte Ihnen dabei helfen?
Ein schönes Wochenende!