Der MP Impuls zum Wochenende

Es gibt Tage, an denen kann man als Coach sofort spüren, dass der Klient heute „unter Dampf“ steht. So ein Tag war heute. Mein Kunde kam sichtlich schlecht gelaunt durch die Tür, warf seine Tasche mit einiger Dynamik auf den Boden und sich selbst auf den Stuhl?

„Gibt’s auch ein Bier, statt Mineralwasser?“

OK, Zeit, dass er Dampf ablassen kann.

„Na auf, erzählen Sie mir, was los ist!“, rief ich ihm zu und er sprudelte los.

Da war dieser Kunde, der sich auf sein Internetangebot hin gemeldet hatte und mit dem er ein nettes Telefonat hatte. Mein Klient ist selbständiger Berater, es war eine Neukundenakquise. Der Kunde bat um ein Angebot und mein Klient hatte sich hingesetzt und ein ausführliches Angebot geschrieben. „Es hat mich viel Zeit gekostet!“, sagte er, sichtlich genervt. Er hatte alles detailreich ausgearbeitet und schließlich per Mail an seinen potentiellen Austraggeber verschickt. Das war vor 10 Tagen, eine Reaktion auf sein Mail gab es nicht.

„Und, haben Sie nochmal nachgefasst, ein nettes Erinnerungsmail geschrieben oder noch besser angerufen?“, hakte ich nach. Die Antwort kam, als hätte ich eine Lunte angezündet.

“Sorry, aber so bin ich nicht!”, donnerte mein Klient fast zurück. „Ich lauf ihm doch nicht nach, der wollte doch was von mir. Ich habe geliefert, jetzt ist er dran, sonst will ich auch gar nicht ihm arbeiten, kein Respekt. So geht das nicht!“

Ich schmunzelte in mich hinein, ich wollte ja, dass er Luft ablassen kann und hatte es erreicht. Die Emotionen waren erstmal raus und der Weg war frei, jetzt konstruktiv an dem Thema zu arbeiten. Natürlich nicht, ohne dass ich ihm erstmal Verständnis und aufmunternde Worte zukommen ließ.

„Haben Sie sich schon einmal nicht mehr gemeldet, nachdem Ihnen jemand etwas geschickt hat?“, fragte ich meinen Klienten. „Schon ganz oft“, kam die schnelle Antwort. Das „Aber“, welches er gerne hinterherschicken wollte, unterdrückte ich und bat ihn stattdessen, er möge doch einmal mögliche Gründe auf Moderationskarten schreiben, warum sich sein Kunde nicht gemeldet haben könnte. Die Karten sollte er bitte am Flipchart sammeln, ich würde derweil aus dem Bistro auf dem Gelände meines  Coachingraumes zwei Kaffee für uns holen. Und ich kann sehr langsam gehen, wenn ich volle Kaffeebecher tragen muss…

Als ich mehr als zehn Minuten später wieder durch die Tür kam, war das Flipchart voller Karten. „Großartig“, rief ich ihm zu, „lesen Sie vor!“

Die ersten Karten zielten auf mangelnde Qualität seines Angebotes ab, das dem Kunden entweder inhaltlich oder preislich nicht gefallen haben könnte. Danach kamen Themen, die mit ihm gar nichts zu tun hatten. Ist krank geworden, hat kurzfristig eine andere wichtigere Aufgabe bekommen, Prioritäten haben sich geändert, ist einfach noch nicht dazu gekommen und vieles mehr – es waren fast 20 Karten, die mein Kunde geschrieben hatte.

Ich ging ein paar Schritte zum Fenster lehnte mich dagegen und gab meinem Klienten ein Handzeichen mir zu folgen. „Charly“, begrüßte ich ihn, „schön, dass Du mal wieder da bist. Du bist schon sehr alt und ich weiß, Du hast als Berater alles erlebt, was man erleben kann. Du hast alles gesehen und Du weißt für alles eine Lösung. Klasse, dass Du gekommen bist, um meinem Klienten, dem Du ja zugesehen hast einen Rat zu geben. Wie lautet er?“

Charly, also natürlich mein Coachingnehmer, schmunzelte: „Wenn er weiterkommen will, muss er wohl anrufen!“

Es ist so menschlich, wir sind in Vorleistung gegangen, der andere ist am Zug. Es passiert aber – nichts. Derartige Situationen begegnen uns häufig, sowohl im Berufs- wie auch im Privatleben. Es ist nachvollziehbar, dass wir dann erstmal verletzt und enttäuscht sind. Die innere Stimme sagt, „dann eben nicht, mir doch egal“. So logisch diese Reaktion scheint, sie führt doch oft zu unbefriedigenden Ergebnissen. Im Geschäftsleben ist eine gewisse Hartnäckigkeit gar unentbehrlich. Über den eigenen Schatten zu springen, auch wenn eigentlich der andere am Zug ist, ist ständig erforderlich, sonst entgeht uns viel zu viel Geschäft. Immer sollten wir uns klar machen, dass es so viele Gründe gibt, warum der andere sich nicht meldet. Wenn wir sie nicht kennen, beginnt die „wilde“ Hypothesenbildung und je nach Charakter endet diese im worst-case noch damit, dass wir zu dem Ergebnis kommen, wir seien einfach zu blöd und beginnen uns selbst abzuwerten. Willkommen in der – wahrscheinlich vollkommen überflüssigen – Abwärtsspirale.

Zurück zu meinem Kunden, der am nächsten Tag gleich angerufen hat und die Auflösung war ganz einfach. Sein Kunde war eine Woche in Urlaub gewesen, hatte dann erstmal aufräumen müssen und war noch nicht bis zu seinem Angebot, das er sehr gut fand, vorgedrungen. Ins Geschäft kamen die beiden dann trotzdem nicht, aber man ist bis heute miteinander im Gespräch.

Es war so banal und es gab gar keinen Grund für all die negativen Emotionen, mit denen mein Klient durch die Tür gekommen war. Na klar, wenn wir in Vorleistung gehen, dann ist es immer schön, wenn es auch eine Gegenleitung, zumindest in Form einer Rückmeldung gibt. Dafür sollte man auch daran denken, dass man eine solche inklusive Termin auch gleich vereinbaren kann, dass entsteht für beide Seiten eine noch größere Verbindlichkeit. Bleibt die Gegenleistung aus, denken Sie immer daran, dass es dafür viele Gründe geben kann. Spekulieren Sie nicht, fassen Sie nach, springen Sie über den Schatten, der Sie zurückhalten möchte.

Meistens lohnt es sich, mindestens durch Erkenntnisgewinn!

Ein schönes Wochenende.

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