Es ist ein komisches Gefühl als ich Klaus die Hand gebe und auf der Bank hinter dem Tor platz nehme, auf der ich seit Jahren sitze, wenn mein Sohn ein Heimspiel hat und ich ihm dabei zuschaue. Klaus kenne ich ebenfalls seit Jahren noch aus seiner Zeit als Mannschaftsbetreuer, in der ich ihm oft als Schiedsrichter begegnet bin. Er ist schon lange Rentner und wir schauen die Spiele seit Jahren gemeinsam.

Seit 22 Jahren spielt mein Sohn nun Fußball und ich erinnere mich gut an die ersten Momente im Alter von 5 Jahren. Die Hosen gingen bis weit über die Knie, die Trikots glichen eher Nachthemden. Das Spiel war nicht immer das wichtigste, manchmal wurden auch einfach Gänseblümchen gezählt. Seitdem ist viel passiert, engagierte leistungsbezogene Jahre im Jungendbereich, drei Jahre Fußballpause aufgrund des Studiums im Süden Deutschlands und seit mehreren Jahren spielt mein Sohn nun in der 1.Herrenmannschaft des Nachbardorfes.

Ich habe nicht immer Zeit gehabt, ihm zuzuschauen, weil mich anfangs mein Beruf einschränkte, ich dann selbst nochmal einige Jahre als Fußballschiedsrichter und -funktionär aktiv war und sich die Termine überschnitten. Nachdem ich der Corona-Zeit alle eigenen Aktivitäten rund um den Fußball aufgegeben habe, bin ich seit einigen Jahren nur „Fan meines Sohnes“ gewesen.

Für Christopher, meinen Sohn, war es immer wichtig, Fußball mit seinen Freunden zu spielen, mit denen er teilweise schon seit vielen Jahren zusammenspielt. Das Erlebnis „Mannschaft“ und Gemeinsamkeit war immer das wichtigste, erst dann kam bei allem sportlichen Ehrgeiz die Frage des sportlichen Erfolges. Dieses Jahr ließ sich beides sehr gut miteinander verbinden, man steht kurz vor dem Aufstieg in die Landesliga, die zweithöchste Landesklasse, und es wäre der größte sportliche Erfolg des Vereins. Es ist das letzte von drei Aufstiegsspielen und man führt nach zwei Spieltagen die Tabelle an, ein Unentschieden reicht heute zum sicheren Aufstieg.

Das alles verleiht dem Tag schon etwas Besonderes, doch da ist noch mehr. Vor zwei Wochen hat uns unser Sohn mitgeteilt, dass er nach der Saison aufhören wird bzw. zumindest ein halbes Jahr aussetzen wird, um zu sehen, wie es ihm ohne Fußball geht. Ich wusste natürlich, dass es solche Gedanken gibt, denn sowohl die zeitliche Belastung neben dem herausfordernden Beruf, den mein Sohn ausübt, als auch zunehmende körperliche Beschwerden waren schon länger ein Thema. Dennoch kam die Mitteilung überraschend. Es ist für einen knapp 27-jährigen sehr weitsichtig diese Pause einzulegen und ich kann vor meinem Sohn nur „den Hut ziehen“ und doch fühlt es sich komisch an.

Und so ist es nun soweit, zum vielleicht letzten Mal sehe ich meinen Sohn mit seinem Team den Rasen betreten. Ein vielleicht letztes Mal philosophieren Klaus und ich über das, was uns gleich erwarten könnte. Diese zwei Stunden auf dem Fußballplatz waren für mich immer wie eine kleine Auszeit, einfach der Vater, der seinem Sohn beim Spielen zuschaut. Nicht mehr der Schiedsrichterbeobachter, der mitschreiben und aufpassen muss. Auch alle anderen Gedanken, die sonst meinen Tag bestimmen, waren in diesen zwei Stunden einfach weg. Keine Gedanken an Themen zu Hause, in meinem Beruf, meiner eigenen Gesundheit oder rund um meine bald 85-jährige Mutter. Ich war, zugegeben, ein „Schönwetterfan“ und nur auf dem Platz, wenn das Wetter gut war. Im Regen habe ich früher so oft als Schiedsrichter auf dem Platz gestanden, das muss nicht mehr sein. So waren meine Besuche also immer ein „in der Sonne sitzen“ und alle Gedanken und Sorgen hinter mir lassen. Einfach „Papa schaut Fußball von seinem Sohn“. Nun also vielleicht zum letzten Mal. Es klingt vielleicht sonderbar, aber ich spüre Wehmut aufkommen und bin in diesen Minuten froh, meine Sonnenbrille aufzuhaben.

Die Geschichte des Spiels ist schnell erzählt. An diesem Tage liegt ein Klassenunterschied zwischen beiden Mannschaften und die weit aus dem Norden des Landes mit dem Reisebus angereisten Gäste haben keine Chance. Als die Stadionuhr auf 90 Minuten springt pfeift der an diesem Tag sehr gute Schiedsrichter auf die Sekunde pünktlich ab. Beim Stand von 4:0 sind an diesem Nachmittag alle Fragen eindeutig beantwortet, Nachspielzeit braucht hier niemand mehr.

Das Team meines Sohnes beginnt das Partyprogramm und steigt als Gruppensieger der Aufstiegsrunde erstmals in die Landesliga auf, alle singen und tanzen, Bengalos in den Vereinsfarben werden geschwenkt. Auf der anderen Seite ist die Stimmung ganz anders, denn die Gäste verpassen mit dieser Niederlage den Aufstieg und bleiben in der Verbandsliga. Die Spieler sinken enttäuscht zu Boden und bleiben lange ausdrucklos sitzen. Sie müssen der feiernden Heimmannschaft wohl über übel beim Jubeln zusehen.

Ich gehe um das Spielfeld herum, suche und finde meinen Sohn, umarme und beglückwünsche ihn. Ich bin sicher, dies ist auch für ihn kein leichter Moment, doch jetzt ist erstmal die verdiente Party nach einer langen Saison. Aufhören, wenn es am schönsten ist, das hat geklappt.

Zehn Minuten habe ich mit Fahrrad nach Hause und dann ist dieses Kapitel erstmal beendet. Vielleicht war es -nach vielen Kapiteln in Sachen Fußballsport- mein letztes? Wer weiß das schon und so bin ich bei aller Freude für meinen Sohn und sein Team an diesem Abend auch ein wenig traurig.

Und welche Reflexionsfragen stelle ich nun Ihnen, liebe Leserinnen und Leser?

Ich glaube, heute stelle ich Ihnen einfach keine Fragen, Sie sind sicher längst in Ihren eigenen Gedanken versunken.

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