Der MP Impuls zum Wochenende

Stink sauer knallte mein Klient den Telefonhörer auf die Gabel, sprang aus seinem Sessel auf und zeterte los. Er hatte vielleicht kurzzeitig vergessen, dass ich auch im Raum war, denn ich war als Trainer on the Job nur alle paar Wochen für einen Tag zu Besuch. Er ließ kein gutes Haar an seinem Mitarbeiter, mit dem er gerade telefoniert hatte, die wüsten Details erspare ich Ihnen.

Was war passiert? Mein Klient, immerhin Vertriebschef eines ganzen Bundeslandes in einem Dax-Konzern, hatte seine Mails bearbeitet und eines seines Mitarbeiters gelesen. Ich weiß nicht, was er gelesen hatte, doch noch mit den Augen auf dem Bildschirm griff er zum Telefonhörer, drückte die Schnellwahltaste und keine zwei Sekunden später brüllte er auch schon los. Von einem Gespräch kann man nicht sprechen, es war eher ein etwa dreiminütiger Monolog über Versagen, Dummheit und Faulheit, wobei mein Kunde für diese Begriffe deutlich unschönere Formulierungen fand, die ich nicht wiedergeben möchte.

Nachdem er also weitere fünf Minuten in seinem Büro auf und ab gelaufen war und dabei laut gezetert hatte, kehrte Ruhe ein. Er sah mich an und realisierte, dass ich noch da war, was er auch aussprach.

“Sie sind ja noch da”, sagte er. “Allerdings nur mit Mühe”, gab ich zurück. Danach konnten wir in Ruhe über diesen Vorfall reden.

Aus seiner Sicht hatte sein Mitarbeiter mal wieder viele Ausreden gefunden, um zu erklären, warum seine Verkaufszahlen nicht stimmten. So ging das schon seit Monaten und mein Klient war mit der Leistung seines Mitarbeiters vollkommen unzufrieden. Gespräche gab es schon viele, Besserungen nicht. Die heutige Mail hatte dann das “Fass zum Überlaufen” gebracht und er hatte sich gehen lassen. Vielleicht alles nachvollziehbar – akzeptabel ist es nicht.

Wir können es nicht verhindern. Wenn wir etwas wahrnehmen, laufen automatisch die Vorgänge der Interpretation (wir denken also etwas über das, was wir wahrnehmen) und der Emotion (es löst also ein Gefühl in uns aus) ab. Das passiert vollkommen automatisch und ist nicht steuerbar, auch wenn viele Menschen immer wieder behaupten, Sie hätten ihre Emotionen unter Kontrolle. Wir wissen heute, dass das nicht stimmt. Der gesamte Vorgang dauert etwa eine halbe Sekunde. Ob wir wollen oder nicht, die Emotionen sind einfach da. Der Versuch sie vermeiden zu wollen, ist definitiv zum Scheitern verurteilt.

Bis hier hin ist das auch nicht schlimm, denn noch sind wir auf der inneren Ebene, die Emotionen sind in uns. Erst wenn wir sie rauslassen, dann wird aus der Emotion eine Reaktion mit Außenwirkung und die sollten wir steuern. Genau das hatte mein Klient nicht getan. Er hatte seinen Emotionen, die ausschließlich negativ waren, freien Lauf gelassen, seine Reaktion nicht mehr steuern können und deshalb war ihm die Situation so entglitten.

Was kann uns nun davor bewahren, aus der Emotion raus unangemessen zu reagieren? Das ist relativ einfach, es ist die Zeit! Wenn wir uns etwas Zeit nehmen, flauen die ersten Emotionen ab und wir können viel mehr aus unserem Denken heraus reagieren. Das ist im allgemeinen bewusster, gesteuerter und oft gemäßigter.

Wie also können Sie Zeit gewinnen, hier ein paar Vorschläge:

-> Atmen Sie einmal ganz tief ein und sehr bewusst langsam wieder aus. Das dauert kaum fünf Sekunden und doch werden Sie sofort merken, wie sie die erste Wut regelrecht ausatmen.

-> Stehen Sie auf und gehen Sie einmal zum Fenster, schauen Sie drei Sekunden hinaus. Wenn Sie das im Gespräch tun, wird Sie Ihr Gesprächspartner, über den sie sich gerade geärgert haben, vielleicht sogar fragen, was los ist. Wunderbar, jetzt können Sie erstmal erklären, dass Sie sich gerade ärgern und schon geht weitere Zeit ins Land, die Ihnen hilft, Kontrolle zu behalten.

-> Wenn es “ganz hart” kommt, verlassen Sie den Raum, gehen Sie zur Toilette, holen Sie sich einen Kaffee oder ähnliches. Die gewonnene Zeit und die zusätzliche räumliche Distanz helfen sicher.

-> Falls – wie in meinem Beispiel – ein Mail der Auslöser war, lassen Sie dieses bewusst unbeantwortet, ignorieren Sie es und lesen Sie es am nächsten Tag erneut. In vielen Fällen lesen Sie zwar die gleichen Worte, aber Sie geben Ihnen nicht mehr die gleiche emotionale Bedeutung.

ZEIT ist das einzige Mittel, das uns hilft unsere Reaktionen zu steuern. Was gesagt ist gesagt, der Schaden ist angerichtet. Reaktionskontrolle ist wichtig und bewahrt uns vor vielen unangenehmen Konsequenzen. Nicht umsonst heißt es ja auch, dass man vor wirklich wichtigen Entscheidungen noch einmal darüber schlafen soll. Das ist im Prinzip der gleiche Effekt.

Ich fasse das gern in der BIER-REGEL zusammen:

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!