„Vielen Dank für das klare Feed-Back, dass ich gerade wieder voll ins alte Verhaltensmuster verfallen bin.“, sagte eine Teilnehmerin in dieser Woche in einer Seminarpause zu mir.
Bitte gerne, das ist sozusagen im Preis inbegriffen, schmunzelte ich in mich hinein.
Ich war gerade dabei mit einem ihrer Kollegen an einem Beispiel aus dem Alltag der Gruppe eine Gesprächstechnik vorzumachen. Plötzlich konnte die Kollegin nicht mehr an sich halten und mischte sich ein. Sie müsse jetzt mal kurz inhaltlich werden, auch wenn das hier nur als Beispiel für die Anwendung der Technik gedacht sei. Die Umsetzung des Themas gehe nicht schnell genug, so könne es nicht weitergehen, man müsse doch jetzt… und so weiter. Ich bedankte mich für die klaren Ansagen, aber nicht ohne den Hinweis, dass ich in etwa 10 Minuten mit Ihrem Kollegen auch an genau diesen Punkt gekommen wäre, nur eben auf eine andere Art: weniger „Ansage“, mehr Selbsterkenntnis.
Für unser Seminar war es klasse, dass sich diese Episode genau so zugetragen hat. Sie machte nämlich im Seminar schon einmal deutlich, was in den kommenden Wochen und Monaten auch im Arbeitsalltag immer wieder passieren wird. Verhaltensänderung erreichen wir niemals durch „Schalter umlegen“. Es ist normal, dass wir etwas Neues ausprobieren und dabei trotzdem immer mal wieder in die alten Verhaltensweisen zurückfallen, auch wenn wir das eigentlich gar nicht wollen. Dieser Rückfall ist kein kognitiver Prozess, „es“ passiert sozusagen einfach. Das alte Verhalten ist durch stabile Bahnungen im Gehirn meist sehr gut untermauert und diese Bahnungen aktivieren sich mehr oder weniger automatisch. Erst langsam werden im Gehirn neue Bahnungen aufgebaut und die alten irgendwann durch diese neuen ersetzt. Ein Hirnforscher erklärte mir einmal, dass im Schnitt ein neues Verhalten vierzig Mal erfolgreich umgesetzt werden muss, bis die neue Bahnung stabiler ist als die alte, wir also nicht mehr automatisch und ungewollt in altes Verhalten zurückfallen. Na, wenn das so ist, kann ich diesen „Rückfall“ im Seminar doch aller bestens verzeihen, denn wir stehen ja gerade noch bei der ersten neuen Ausführung des zu lernenden Verhaltens.
Ich erlebe es oft, dass Menschen sich wünschen, dass Veränderungen im Allgemeinen und ganz besonders Verhaltensänderungen doch schneller von statten gehen mögen. Das ist ein so nachvollziehbarer und menschlicher Wunsch, gerade in unserer schnelllebigen Zeit. Es bleibt aber ein Wunsch. In der Realität geht die Umsetzung immer nur in kleinen Schritten voran, meist sogar im Modus: zwei Schritte vor und einen wieder zurück. Wir sind halt Menschen und keine Maschinen, bei denen man Hebel umlegen kann.
Seien Sie also nachsichtig mit sich: Sie brauchen Geduld und müssen sich Fehler und Rückschläge verzeihen, dass ist Teil eines jeden Prozesses von Verhaltensänderung. Aber es ist doch sehr erleichternd: Sie dürfen Fehler machen, das gehört dazu – Sie müssen nicht perfekt sein, Perfektion ist in Sachen menschlichen Verhaltens meist eh gar nicht erreichbar und auch gar nicht sinnvoll.
Wann haben Sie sich zuletzt eine Verhaltensänderung vorgenommen und sind doch „voll“ ins alte Verhalten zurückgefallen?
Wer oder was hat Sie darin erinnert, dass Sie es doch anders machen wollten?
Welche Gedächtnisstützen können Sie verwenden, um Rückfälle ins alte Verhalten zu minimieren? Wenn Sie sich nämlich bewusst daran erinnern (kognitiver Prozess), dass Sie es ja anders machen wollen, dann passiert „es“ nicht mehr „einfach so“ – sie tricksen Ihr Unterbewusstsein also aus.
Viel Erfolg wünsche ich Ihnen bei allen Verhaltensänderungen, die noch vor Ihnen liegen und denken Sie daran: Sie müssen nicht perfekt sein!
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