Der MP Impuls zum Wochenende

Das Telefon klingelt – ziemlich überraschend. Ein guter Freund ist dran, strotzt vor Energie und guter Laune, was zu mir gerade so gar nicht passt. Ich hatte einen anstrengenden Tag und bin müde, seine Energie kann ich nicht teilen.

“Los komm mit, ich hab Bock noch was trinken zu gehen, treffen wir uns in einer Stunde in der “Lieblingskneipe”?

Ich atme schwer, was ihm im euhporisierten Zustand natürlich nicht auffällt und sage: “Ok, bis gleich, ich freu mich!”

Glatt gelogen, doch es geht irgendwie wie selbstverständlich über meine Lippen. “Es” passiert einfach, weil mein Unbewusstsein entschieden hat, dass NEIN sagen keine zulässige Option ist. Das ist schließlich ein guter Freund, den enttäuscht man nicht, was wenn er mich beim nächsten Mal dann auch sitzen lässt? Was, wenn sich meine Unlust herum spricht und ich vielleicht bald gar nicht mehr gefragt werde, ob ich dabei sein will? Was wird mein Freund über mich denken? Das Kopfkino ist an und genau dann sagt mein Unbewusstein typischer Weise einfach “ja” und gut ist – alle Fragen vermieden. Der Nachteil ist nur, ich habe eigentlich gar keine Lust und mir geht es mit dieser Lösung denkbar schlecht.

DANKE, dass Sie jetzt alle “Kenn ich auch” rufen und mir das Gefühl geben, ich bin nicht allein. Na klar, solche oder ähnliche Situationen kennen wir alle und die Konstellation, ein guter Freund möchte mit mir einen trinken gehen, ist dabei eher eine harmlose Variante. NEIN SAGEN ist unglaublich schwer – aber nur bis man das gelernt hat.

Es gibt so viele Kontexte, in denen wir eigentlich NEIN sagen wollen und ja sagen. Im Beruf gegenüber dem Chef oder den Kollegen, in der Familie gegenüber dem Partner, den Kindern oder den Eltern, in Vereinen, gegenüber Freunden, zu Nachbarn und vieles mehr.

Jedes Ja, das eigentlich ein NEIN werden sollte, macht uns ein Stück unzufrieden, weil wir unsere eigenen Interessen zurückstellen und dadurch oftmals nur halb bei der Sache sind. Der Kopf ist eigentlich gar nicht da, wir machen Fehler, die wir sonst nie machen, wir hören nicht richtig zu, wir sind unkonzentriert. Allzu oft werden wir dann später auch noch dafür kritisiert, dass wir gemacht haben, wozu wir eigentlich keine Lust haben. “Du warst auch schon mal unterhaltsamer”, sagte mein Freund an diesem Abend irgendwann zu mir. Er hatte Recht, doch ich empfand das als Angriff und motzte zurück. Typischer Fall von falsches Ohr geöffnet (Schulz von Thun)… . Ergebnis: Egal ob Sie ihn oder mich fragen, einen schönen Abend hatten wir nicht. Hätte ich mal NEIN gesagt.

Ja sagen und NEIN meinen ist keine Option – lernen Sie NEIN zu sagen und Sie werden zwei Dinge merken:

  1. Je öfter Sie es tun, desto leichter fällt es und desto besser fühlt es sich an. Sie geben sich selbst viel mehr Raum und Bedeutung, Sie erhöhen Ihre Selbstachtsamkeit, Sie machen sich frei. Und -mindestens genauso wichtig- Sie lernen auch bewusster ja zu sagen und zu dem, wozu Sie ja gesagt haben auch voll zu stehen. Jetzt ist es Ihre ganz bewusste Entscheidung, es passiert nicht einfach, nicht unbewusst. Es ist eine kognitive Entscheidung, bewusst getroffen, IHRE Entscheidung, das bewusste Ja! Dinge, zu denen wir bewusst JA gesagt haben, gehen uns leicht von der Hand, machen Spaß und füllen uns aus.
  2. Sie können in einer Art und Weise NEIN sagen, die beiden Seiten gerecht wird. Klingt komisch? Ist oftmals ganz einfach. Ich hätte zum Beispiel zu meinem Freund sagen können: “Heute möchte ich nicht mehr vor die Tür gehen, ich hatte einen harten Tag und bin müde. Aber ich freue mich gerade, dass du mich anrufst und habe Lust, mal wieder mit Dir zu quatschen. Lass uns doch gleich für einen anderen Tag verabreden, wann passt es bei Dir?” Wahrscheinlich hätte diese Antwort für uns beide zu einem viel angenehmeren Abend geführt.
    NEIN sagen kann man lernen – viele meiner Coachingnehmer bestätigen das. Und alle, die es gelernt haben, sind heute so viel glücklicher als zuvor – wunderbar.

Und bevor jetzt der Eindruck entsteht, ich wollte hier die Meinung vertreten, das sei doch alles ganz einfach mit dem NEIN sagen: NEIN, das ist es nicht und so möchte ich auch nicht verstanden werden. Es ist nicht einfach, vielleicht sogar eine der schwierigsten Aufgaben überhaupt, aber das ist ja kein Widerspruch dazu, dass Sie es lernen können und sollten. Vielleicht haben Sie ja Lust, zu diesem Lernprozess ganz bewusst JA zu sagen?

Wenn Sie das Thema vertiefen möchten, füge ich Ihnen eine Literaturempfehlung bei, die auch diversen meiner Coachingnehmer geholfen hat.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!

Literaturempfehlung:

Olaf Jacobsen

“Ich stehe nicht mehr zur Verfügung”

Welche Themen werden die Weiterbildung nach Corona bestimmen?

Die aktuelle Krise verändert vieles – da sind wir sicher einig. Für Berater, Trainer und Coachs ist natürlich eine spannende Frage, welche Themen nach der Krise oder auch schon jetzt – für viele Unternehmen also mitten in der Krise – besonders gefragt sind.

Das entscheidet natürlich der Kunde, also die Unternehmen. Trotzdem ist auch interessant, was die professionellen Anbieter für Training und Coaching denn selbst erwarten.

Danach wurden die Anbieter in einer Studie des Weiterbildungsmaktplatzes Seminarmarkt.de gefragt. Die Ergebnisse veröffentlicht managerseminare in seiner aktuellen Juli-Ausgabe. Insgesamt bieten sie wenige Überraschungen.

Vielleicht kann man diese von einer solchen Umfrage auch nicht erwarten, dennoch fällt auf, dass sich die Ergebnisse auf sehr großer “Flughöhe” bewegen, denn Begriffe wie “Agilität” oder “New Work” beinhalten irgendwie auch alles und zugleich nichts.

Besonders deutlich scheint sich aber schon jetzt die Tendenz einer nachhaltig höheren Bedeutung von Führung auf Distanz abzuzeichnen. Das macht Hoffnung, dass viele Unternehmen darüber nachdenken, in welchen Bereichen mehr räumliche Flexibilität bei der Arbeit in Zukunft möglich und sinnvoll ist.

Wie auch immer: Dies ist das aktuelle Meinungsbild der Weiterbildungsanbieter, wir werden sehen, in welche konkrete Richtung die Nachfrage dann tatsächlich geht.

Was denken Sie – wo sehen Sie die künftigen Schwerpunkte der Arbeitswelt in post Corona-Zeiten?

Wir freuen uns auf die Diskussion mit Ihnen!

Coaching to go – ein Gespräch mit Kristin Scheerhorn

Mario: Die Corona-Krise stellt fast alle Führungskräfte in den Unternehmen vor große Herausforderungen, das hat die Umfrage, die wir gemeinsam durchgeführt haben, gezeigt. Viele Führungskräfte haben dabei vor allem in Fragen der Digitalisierung, das Feld auf dem Du Expertin bist und zu dem zahlreiche Bücher geschrieben hast, eine steile Lernkurve durchgemacht. Dabei dominiert aktuell oftmals noch der technische Aspekt und viele Fragen der eigenen Einstellung, des eigenen Verhaltens oder auch ganz neuer Führungsherausforderungen rücken erst langsam ins Blickfeld. Immer wieder fühlen sich Führungskräfte zunehmend allein gelassen oder auch überfordert.

Du hast als eine mögliche Hilfestellung für Führungskräfte den Begriff “Coaching-to-go” (Coaching2Go) geprägt. Was genau ist darunter zu verstehen?

Kristin: Die Praxis zeigt, dass Führungskräfte mehr denn je schnelle und tragfähige Lösungen benötigen. Was dann nicht hilft, sind langwierige Einkaufsprozesse, um in einer Akutsituation eine andere Sichtweise, neue Impulse oder Hilfestellung zu bekommen. Coaching2Go setzt hier genau an: Wir vereinbaren ein Stundenkontingent, das je nach Bedarf auch von unterschiedlichen Führungskräften genutzt werden kann. Dieser Austausch (per Telefon, Textnachricht, E-Mail,…) kann z.B. nur 10 Minuten dauern und damit sehr hilfreich sein. Themen können zügig und zeitnah thematisiert werden. Durch diesen Ansatz werden aus zunächst kleinen Anlässen nicht erst die großen Katastrophen.

Mario: Wie wird dieses Format angenommen? Was sind Deine bisherigen Erfahrungen?

Kristin: Das ist eine sehr stark genutzte Variante, denn sie ist ausgesprochen effektiv und effizient. Veränderungen im eigenen Verhalten können so viel nachhaltiger (steter Tropfen) erprobt und verfeinert werden. Coaching2Go ist auf den Punkt und somit besonders alltagstauglich, denn es läuft im Führungsgeschehen mit. Kein Zusatzaufwand, greift dann, wenn der Schmerz da ist und wirkt stark durch das Erleben der IST Situation und nicht auf Basis des eigenen Erinnerns. Coaching2Go bietet der Führungskraft in unklaren Situationen schnell die Möglichkeit eine bewertungsfreie Rückmeldung zu bekommen und Handlungsalternativen im vertrauensvollen Miteinander zu entwickeln.
Und manchmal: Ist es einfach auch nur schön, wenn Jemand nur mal WIRKLICH zuhört.

Mario: Digitale Formate haben durch Corona enorm an Bedeutung gewonnen. Viele Menschen erlebe ich aber immer noch mit Berührungsängsten zur Arbeit an Bildschirm. Was sagst Du diesen Klienten?

Kristin: Da hilft kein (Über-)Reden. Ich spüre diese Berührungsängste, thematisiere sie aber nicht explizit. Wir machen einfach. Einladung in den Terminkalender mit dem Link zu einem virtuellen Raum und los geht’s. Wenn ich dann zum Ende in die zufriedenen Gesichter schaue und frage wie es denn so für sie war, erübrigt sich die ewige Diskussion vorab. Hier kommt mir eine wichtige Rolle zu: Ich baue in dem virtuellen Raum den geschützten Raum auf und halte die Verbindung zu jedem Einzelnen. Hier ist es besonders wichtig, dass man Jeden sieht, hört und – Überraschung: fühlt! Das geht, wenn man es sich bewusst macht und ganz wichtig: übt. Im virtuellen Raum ist die Rückmeldeschleife ein elementares Instrument, um miteinander in guter Verbindung zu bleiben.

Mario: Ich gehöre ja auch den Verfechtern des Einzelcoachings im Präsenzmodus. Aus meiner Sicht ist das auch aktuell problemlos möglich, da Treffen zu zweit sowohl rechtlich erlaubt sind als auch die Abstandsregelungen in fast allen Formaten eingehalten werden können. Wie siehst Du das, wo sind die Grenzen digitaler Formate? Wann macht es tatsächlich mehr Sinn, sich face-to-face zu begegnen?

Kristin: Das ist ein gute Frage… Grundsätzlich kann ich virtuell alles mit Menschen bearbeiten. Als Coach darf ich dann noch flexibler sein, manche Methoden sind virtuell nicht auf den ersten Blick anwendbar und auf den zweiten Blick abgewandelt dann doch. Oder ich probiere was Neues aus.
Selbst bei Konflikten und auch wenn diese verhärtet sind, kann man virtuell arbeiten. Was da aber für mich unerlässlich ist, ist dass ich die erste Sitzung mit den Konfliktparteien in einem Raum bin. Ich muss die Energie, die Interaktion zwischen den Personen einmal live erleben und einen vertrauensvollen Grundstein der Zusammenarbeit legen.

Mario: Zum Schluss noch eine allgemeine Frage. Du hast in Deinem Leben mit zahllosen Führungskräften zusammengearbeitet. Sowohl bei kleinen Mittelständlern, vor allem aber auch in weltweit tätigen sehr großen europäischen Konzernen. Was sagst Du Führungskräften, die auch heute noch die Meinung vertreten, Sie könnten alles alleine bewältigen? Wie machst Du diesen, ich nenne sie mal Skeptikern, den Mehrwert Deiner Arbeit deutlich?

Kristin: Es gibt 1000 Argumente, die dafür sprechen… (grinst).
Ich habe über die vielen Jahre immer wieder festgestellt, dass Menschen ihr “What’s in it for me?” in dem Gespräch mit mir schnell selber erkennen und fühlen, dass ich die Richtige für sie bin. Ich stelle mich sehr gerne zur Verfügung. Die Entscheidung mit mir arbeiten zu wollen, mute ich meinem Gegenüber selber zu.

Mario: Liebe Kristin, vielen Dank für das Gespräch!

Kennen Sie schon die Bücher von Kristin Scheerhorn?