Arbeitswelt im Umbruch – Mitarbeiter auch

Dass die Corona Pandemie die Arbeitswelt langfristig verändert, wird immer wahrscheinlicher. In einer Befragung des Recruiting- Spezialisten Avantgarde Experts gingen 93% der befragten Arbeitnehmer von solch langfristigen Veränderungen der Arbeitswelt aus. Dabei steht mehr Homeoffice sowie ein flexiblerer Wechsel von Büro und Heimarbeit an oberster Stelle. 40% gehen zudem davon aus, dass Dienstreisen und Meetings dauerhaft vermehrt digital durchgeführt werden. Als besonders problematisch schätzten die Befragten zwei Dinge ein: zum einen das Thema Innovationen, die auf Distanz deutlich schwerer zu erschaffen sind (20%) und zum anderen das Thema Einsamkeit im Homeoffice. 41% der Teilnehmer gaben an, sich seit Corona einsamer zu fühlen. Die Hälfte der Befragten vermisste darüber hinaus den Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen im Büro.

Insgesamt kann man wohl kaum noch Zweifel haben, dass die Veränderungen der Arbeitswelt nachhaltig sind. Zu deutlich zeichnen sich inzwischen auch die Auswirkungen auf die Produktivität der Unternehmen ab. Einer Studie von Capgemini Research zufolge, in der 5000 Beschäftigte und  500 Führungskräfte aus 500 Unternehmen in neun Ländern befragt wurden,  hat die coronabedingte Einführung von mobilem Arbeiten bei fast zwei Drittel der Unternehmen zu Produktivitätsvorteilen zwischen 13% und 24 % geführt. Das war Anlass, die Beschäftigten auch nach den Gründen ihrer produktiveren Arbeit zu befragen. Dabei gaben 46% der Befragten an, dass sie deshalb produktiver seien, weil sie ihre Arbeit flexibler einteilen könnten. 45% verorteten die Ursache für ihre bessere Produktivität beim mobilen Arbeiten darin, dass sie nicht mehr pendeln müssen und 38% fühlten sich im Homeoffice weniger vom Team abgelenkt.

Allerdings ergab sich kein Bild, in dem nicht auch einige Unternehmen Produktivitätsrückschritte hinnehmen mussten. Dies war in jedem fünften Unternehmen der Fall. 48% der Mitarbeiter solcher Unternehmen gaben an, dass sie zu Hause mit mehr Ablenkungen zu kämpfen hätten. 43% haben Schwierigkeiten sich virtuell mit Kolleginnen und Kollegen sowie der eigenen Kundschaft auszutauschen.

Insgesamt scheinen die Vorteile des mobilen Arbeitens eindeutig zu überwiegen. 70% der befragten Unternehmen zeigen sich sicher, dass die Produktivitätsgewinne aus der mobilen Arbeit auch nach der Coronakrise erhalten bleiben werden. In 2 – 3 Jahren erwarten die Unternehmen darüber hinaus durchschnittlich weitere 17% Produktivitätssteigerungen.

Die langfristigen Auswirkungen der aktuellen Trends sind noch nicht vollständig absehbar. Sollte sich der Trend zu mehr Homeoffice jedoch in der aktuell skizzierten Größenordnung bewahrheiten, so muss zwangsläufig von weniger Büroarbeitsplätzen in den großen Metropolen ausgegangen werden. Ob sich die gesteigerte Produktivität auch in einem Rückgang der Arbeitsplätze insgesamt niederschlagen wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Auszuschließen ist ein solches Szenario m.E. jedoch nicht.

Zu berücksichtigen ist außerdem, dass die Beschäftigten keinesfalls durchgängig berichten, dass es ihnen seit der Corona Krise besser gehe, weil sie nunmehr mobil arbeiten könnten. In einer Befragung des Projekts psyGA, welches sich mit der Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz beschäftigt und unter anderem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert wird, haben 15% der Befragten erklärt, dass es ihnen aktuell psychisch deutlich schlechter gehe als vor der Coronapandemie. Allerdings haben auch 9% erklärt, dass es ihnen heute besser gehe als vor Corona. Im Durchschnitt hat sich also das Wohlbefinden der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kaum verändert. Allerdings sind die Einzelfälle natürlich zu betrachten und können gegebenenfalls für die die betroffenen Menschen erhebliche Auswirkungen haben.

Interessant ist vor allen Dingen, welche Gründe diejenigen anführten, die erklärten, dass es ihnen heute besser gehe als vor der Pandemie. Dabei wurde nämlich in erster Linie angeführt, dass sie sich mit ihrer Arbeit identifizieren können und in ihr einen Sinn erkennen, so dass sie Freude an ihrer Tätigkeit haben. Sie erklärten außerdem, dass sie sich heute körperlich fitter und weniger erschöpft fühlen. Auch die Sicherheit des Arbeitsplatzes, eine unterstützende Führung sowie Wertschätzung und Transparenz seitens des Unternehmens wirkten sich positiv aus.

Ohne die Befragung im Einzelnen zu kennen, muss man an dieser Stelle feststellen, dass die genannten Gründe schon immer und völlig unabhängig der Coronapandemie zu positiven Befragungsergebnissen der Beschäftigten geführt haben. Sinnstiftung, Wertschätzung und ein sicherer Arbeitsplatz haben schon immer zum Wohlbefinden der Mitarbeitenden beigetragen und in der Regel auch deren Produktivität erhöht. Die Befragungsergebnisse sind insofern nichts Neues und ein Corona bedingter Zusammenhang darf bezweifelt werden.

In der Summe aller aktuellen Befragungen ist jedoch unzweifelhaft festzustellen, dass langfristige Veränderungen in der Arbeitswelt immer wahrscheinlicher werden. Wie in jedem Veränderungsprojekt wird es auch diesmal dem einen oder anderen leichter und dem einen oder anderen schwerer fallen, mit den Veränderungen klar zu kommen. Der Umfang der Veränderung der Arbeitswelt betrifft in diesem Falle allerdings weit mehr Menschen als das jemals zuvor der Fall war. Insofern sind alle Unternehmen  gut beraten, ihre Menschen in dieser schwierigen Umbruchphase nicht allein zu lassen, sondern sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch professionelles Veränderungsmanagement zu begleiten. Auch entsprechende gesundheitliche Präventionsangebote anzubieten, erscheint sinnvoll. Gerade Führungskräfte, die wie immer die Hauptlast der Veränderungen zu tragen haben und in diesem Fall oftmals auch noch persönlich stark betroffen sein dürften, werden mehr denn je einen persönlichen Sparringspartner, der ihnen durch diese Zeit hilft, benötigen.

Insgesamt darf man sehr gespannt sein, wie sich die Arbeitswelt in einigen Jahren darstellen wird. Es bleibt auf jeden Fall spannend.   

(alle zitierten Studien wurden veröffentlich in managerseminare 03/2021)

Blitzlicht: Zahlen, die nachdenklich machen: DAK-Report

Alle Jahre wieder – so könnte man diesen Beitrag beginnen. Alle Jahre wieder legt die DAK ihren Bericht vor, der aus den Daten von 2 Millionen erwerbstätigen zusammengestellt ist. Seit vielen Jahren zeigt sich dabei das gleiche Ergebnis:

Die Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen nehmen kontinuierlich zu – so auch diesmal.

Im Zeitraum 2000-2019 haben die Krankschreibungen aufgrund psychischer Erkrankungen um 137% zugenommen. In konkreten Zahlen heißt das, 260 Fehltage auf 100 Versicherte im Jahr 2019! Ein neuer Höchststand! Und man bedenke: 209 ist das Jahr vor Corona – in 2020 dürfte es kaum besser geworden sein.

Die Hauptursachen sind dabei Depressionen (105 Tage), Anpassungsstörungen (59 Tage) und neurotische Störungen (26 Tage). Auffällig ist, dass Frauen offenbar anfälliger für psychische Erkrankungen sind als Männer.

Frauen kamen in 2019 auf 328 Fehltage je 100 Versicherte, Männer auf 208. Das ist doch eine signifikante Differenz.

Es wird Zeit gegenzusteuern – das sollten die Unternehmen schon aus Eigeninteresse tun. DAK-Vorstand Andreas Storm bringt es auf den Punkt:

„Zentral ist, dass auch Arbeitgeber psychische Belastungen und Probleme aus der Tabuzone holen und ihren Mitarbeitern Hilfen anbieten.“

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Bei unserer Arbeit mit Führungskräften ist daher die Früherkennung psychischer Belastungssituationen und die Burn-Out-Prophylaxe immer ein fester Bestandteil in Training und Coaching. Das gilt dann gleich doppelt: Schütze dich selbst und achte auf deine Mitarbeiter.

Psychische Belastungen der Arbeitnehmer sind gestiegen

Wie steht es mit den psychischen Belastungen der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz?

76% der befragten Führungskräfte gehen in einer aktuellen Studie der Dekra davon aus, dass diese heute größer sind als noch vor 10 Jahren und sich negativ auf die Leistung der Arbeitnehmer auswirken.

Ein solches Bild können wir leider tendenziell auch aus unseren Coachings bestätigen. Mitarbeiter fühlen sich zum Teil gar verfolgt, abgewertet und unter Druck gesetzt.

75% der 300 befragten Entscheider aus dem Bereich Personal und Arbeitsschutz waren zudem der Meinung, es sei Aufgabe des Arbeitgebers, sich um die psychische Gesundheit der Arbeitnehmer zu kümmern.

Wie schon in so vielen Befragungen folgt nun auf die Theorie die Praxis und in der bieten nur etwa 33% der Unternehmen Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung an.

Und gefragt, wie man denn die Situation im eigenen Unternehmen einschätze, kamen nur 50% der Befragten zu dem Ergebnis, dass auch im eigenen Unternehmen die psychischen Belastungen der Arbeitnehmer gestiegen seien. Tja, es sind eben immer die anderen…

Für alle die, die immer noch überlegen, ob sie sich dem Thema psychische Belastungen stellen sollen, sei nur kurz in Erinnerung gerufen:

Quelle: BKK Gesundheitsatlas 2017

Die durchschnittliche AU-Dauer einer Atemwegserkrankung beträgt ca. 6 Tage, die einer psychischen Störung ca. 34 Tage. Klassische Burn Out Kandidaten erreichen oftmals auch ein halbes Jahr oder mehr.

Daher unser Appell: Wegschauen ist keine Lösung – sensibilisieren Sie Ihre Führungskräfte und packen Sie das Thema an!