Agilität lohnt sich!

Zu dieser klaren Aussage kommt eine internationale Untersuchung, die die Hochschule Koblenz unter 600 Teilnehmern/-innen in 20 Ländern durchgeführt hat (Quelle: managerseminare 07/2020).

Nur 9% der Befragten arbeiteten noch vollständig ohne agile Methoden, die meisten der Befragten (43%) arbeiteten hybrid, nutzen also sowohl klassische als auch agile Arbeitsmethoden. Immerhin 20% der Befragten gaben an, bereits vollständig agil zu arbeiten.

Ich habe hier schon mehrfach daraufhingewiesen, dass Agilität kein Selbstzweck und nicht per se in jeder Situation besser ist als klassische Managementmethoden. Es kommt immer auf die Passgenauigkeit von Aufgabe und Methode an.

In der Studie wurden als Ziele für den Einsatz agiler Methoden die Verkürzung von Produktentwicklungen, eine verbesserte Produktqualität und eine Verringerung von Risiken genannt. Beeindruckende 89% der Befragten gaben an, diese Ziele durch den Einsatz agiler Methoden erreicht zu haben.

Agilität lohnt sich!

Schließlich wurde noch die Frage untersucht, warum agile Methoden (noch) nicht flächendeckend eingesetzt werden. Hierfür scheinen in erster Linie die Rahmenbedingungen eine Rolle zu spielen, was man aufgrund des Pauschalbegriffs “Rahmenbedingungen” wohl näher und tiefer untersuchen müsste.

Aber auch die Tatsache, dass sich sowohl Führungskräfte als auch Mitarbeitende überfordert fühlen, spielt offenbar eine deutliche Rolle.

Dies legen auch die Ergebnisse einer weiteren Online-Studie nahe, die das Grundl Leadership Institut unter 975 Befragten allerdings nur in Deutschland durchgeführt hat. Dabei wurde untersucht, ob Menschen befähigt sind, auf Basis erkannter Verantwortung, diese auch zu übernehmen und danach zu urteilen und zu handeln.

Selbstverantwortung ist im Rahmen der Aufweichung oder gar Auflösung bisheriger starrer Führungshierarchien, die mit der Anwendung agiler Arbeitsmethoden in der Regel einher geht, von zentraler Bedeutung. Nur wenn immer mehr mehr Mitarbeitende selbst Verantwortung übernehmen und zielgerichtet zum Wohle des Unternehmens ausüben (z.B. die richtigen Entscheidungen treffen), kann agiles Arbeiten seine volle Kraft im Hinblick auf Motivation und Effizienz entfalten.

Die Ergebnisse der Grundl Studie machen da nicht gerade Mut, denn aktuell bringt gemäß den Studienergebnissen nur jeder Vierte diese Fähigkeiten mit, was zu den Vorjahresergebnissen (jeder Dritte) eine deutliche Verschlechterung darstellt.

Die Studienautoren führen dies u.a. auf mangelnde Vorbereitungszeit und mangeldes Empowerment zurück. Werden Menschen nicht ausreichend auf Ihre neuen Anforderungen vorbereitet, führt dies dazu, dass nur Mitarbeiter/-innen, die sich ohnehin schnell selbst in der Verantwortung sehen, besonders durch Verantwortungübernahme hervortun. Dies dürften in vielen Fällen die aktuellen Führungskräfte sein, die gewohnt sind, Verantwortung zu tragen. Alle anderen Mitarbeiter/-innen ziehen sich eher zurück und übernehmen die Verantwortung im Zweifel gar nicht mehr.

Fazit: Agilität kann man nicht verordnen, wie ich das so oft erlebe! Da werden plötzlich ein paar Post-its geklebt und schon sind wir agil! Nein, bei weitem nicht, das machen die Studienergebnisse wieder einmal unzweifelhaft deutlich.

Es gilt, die Menschen zielgerichtet und schrittweise mitzunehmen und damit auch an die neue weit größere Selbstverantwortung zu gewöhnen. Das könnte große Potentiale freisetzen, denn 72% der Befragten haben auch erklärt, sie sähen Verantwortung per se als etwas Positives an. Sie ließe sich also – richtige ausgerollt – wahrscheinlich auf drei Viertel aller Mitarbeiter/-innen verteilen.

Dazu ein letzter Gedanke: Wie immer dürfte dabei dem TOP-Management und den Führungskräften eine entscheidende (Vorbild-) Rolle zu kommen. Wo immer jemand Verantwortung übernehmen soll oder möchte, muss sie auch jemand loslassen, der sie bislang ausgeübt hat. Dazu muss natürlich auch die entsprechende Bereitschaft bestehen und Loslassen ist keinesfalls eine leichte Aufgabe!

Agilität lohnt sich also schon jetzt, könnte man die Überschrift abwandeln und zusätzlich noch noch großes Potential.

Der MP Impuls zum Wochenende

Ich schreibe ja meine Impulse fast immer sehr spontan am frühen Samstag Morgen und so sind diese oft durch mein aktuelles Erleben der vergangenen Woche geprägt, so auch heute.

Teamarbeit war vielleicht schon immer einer der großen Erfolgsfaktoren in Unternehmen. Unstrittig ist, dass in unserer VUCA-Welt eine erfolgreiche Zusammenarbeit im Team einer der wichtigsten Schlüssel zum Erfolg ist. Doch spätestens, wenn mehrere Teams auf verschiedenen Ebenen der Hierarchie bestehen, wird es oftmals besonders schwierig. Dann nämlich doppeln sich die Rollen einzelner Führungskräfte: Ich bin vielleicht Leiter eines Vertriebsbereiches, z.B. Schleswig-Holstein und führe Kolleginnen und Kollegen, die selbst auch wieder eigene kleinere Vertriebsbereiche mit Mitarbeitern führen. Ich bin aber auch Kollege und Mitglied im Team meines eigenen Chefs, der vielleicht die gesamte Vertriebsregion, z.B. Deutschland verantwortet.

Und sofort wird klar, dass mir einige klassische double bind Situationen bevorstehen werden, denn keinesfalls werden alle Botschaften meines Chefs, denen ich als Teammitglied loyal verpflichtet bin, für das Team, welches ich führe, in gleicher Weise geeignet sein bzw. dort Begeisterung auslösen. Die Konflikte liegen offen auf der Hand, doch wie damit umgehen? Was siegt? Die Loyalität zum eigenen Team und die gefühlte Verpflichtung gegenüber den mir unterstellten Führungskräften? Dann werde ich vielleicht die Kollegen im anderen Team und natürlich auch meinen Chef enttäuschen müssen. Oder bin ich näher am Team meines Chefs, dann werde ich vielleicht von meinem eigenen Team nicht immer so loyal erlebt werden, wie es sich meine Kolleginnen und Kollegen wünschen würden. Verliere ich jedoch die Loyalität und das Engagement meines Teams wird unweigerlich die Leistung nachlassen und die Ergebnisse werden sich – wahrscheinlich sogar ziemlich zügig – verschlechtern. Das kann ich auch nicht wollen.

“So geht es mir jeden Tag!”, ruft jetzt eine innere Stimme in Ihnen? Ja, das ist die klassische Sandwichposition des gesamten Mittelmanagements.

“Jetzt bitte die Musterlösung”, möchten Sie mir zurufen? Kann ich verstehen, aber leider nicht bieten, weil es die nicht gibt.

In der vergangenen Woche durfte ich jedoch eine Führungskraft begleiten, die sich genau in dieser Situation befindet und die sehr mutig einige großartige Schritte zur Lösung ihrer double bind Situation angegangen ist.

Der erste Schritt ist, überhaupt zu erkennen, das es ein double bind gibt und dieses auch zu artikulieren. Vielleicht haben meine Führungskräfte darüber noch gar nicht ausreichend nachgedacht. Sich dann dem Feed-Back der Kolleginnen und Kollegen zu stellen, wie ich aktuell erlebt werde und was dieses Erleben bei Ihnen auslöst, ist der nächste Schritt. Das erfordert viel Kraft und Mut, denn ich weiß als Führungskraft ja nicht, was da alles kommt. Der Dialog aber ermöglicht eigene neue Erkenntnisse, offenbart Reflexionsmöglichkeiten und neue Handlungsnotwendigkeiten, die ich vielleicht bis dahin nicht gesehen habe. Und, im Gegensatz zu einer mir oft zugetragenen Sicht der Dinge, ist das keine Schwäche, sondern zeigt enorme Stärke einer Führungskraft und fördert ihre Wertschätzung und Anerkennung im eigenen Team. Schwelende Konflikte werden bearbeitbar, neue gemeinsame Grundlagen und gegenseitiges Verständnis können geschaffen werden. Der erste Schritt ist getan!

Die Wertschätzung, die ein solches Vorgehen der jeweiligen Führungskraft beschert, wird vielleicht am besten in der Äußerung eines Teilnehmers aus meinem Workshop deutlich, der sagte: “Jetzt sind wir genau an dem Punkt, an den ich mir gewünscht habe zu kommen und von dem ich fest überzeugt war, das wir niemals an ihn kommen werden.”

Führungskraft ist kein leichter Beruf – das sage ich seit 20 Jahren, das double bind macht es wieder einmal sehr deutlich.

Als Coach war es eine großartige Erfahrung, ein Team dabei unterstützen zu dürfen, einen Schritt voran zu kommen und eine mutige Führungskraft zu erleben, die auch in persönlich herausfordernden Situationen selbstkritisch, wertschätzend, aber auch klar und standfest geblieben ist.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!

Wir freuen uns auf Sie!

Kontakt