Der MP Impuls zum Wochenende

Den Titelspruch kennen Sie schon von letzter Woche, doch heute möchte ich gerne einen anderen Akzent setzen:

Es war ein vorbildlicher erster Tag: Frank hatte heute als neuer Abteilungsleiter bei einem mittelständischen Unternehmen begonnen. Die dreiköpfige Geschäftsführung hatte sich vor einigen Wochen nach intensiven Diskussionen einstimmig für ihn ausgesprochen. Es kam von einem unmittelbaren Mitbewerber, bei dem er für sich keine Chancen mehr für einen Aufstieg oder eine Weiterentwicklung gesehen hatte.

Sein direkter Vorgesetzter, einer der drei Geschäftsleiter, hatte sich den halben Tag Zeit genommen und ihn schon morgens persönlich begrüßt. Er hatte auch die beiden anderen Geschäftsleiter begrüßen können, hatte mit seinem Chef einen Rundgang gemacht und hatte sein Team kennengelernt. Bevor er den Nachmittag mit seinen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verbringen wollte, ging er mit seinem Chef gemeinsam Mittagessen.

„Frank“, begann sein Chef, „ich habe da noch ein besonderes Anliegen. Sie kommen von der Konkurrenz und wir wollten Sie unbedingt für uns gewinnen. Wir arbeiten hier alle schon sehr lange zusammen und sind sicher etwas „betriebsblind“ geworden. Ich möchte, dass Sie die ersten Wochen ganz besonders mit „offenen Augen“ durch unseren Betrieb laufen und schauen, was wir vielleicht anders, effizienter oder besser machen können. Nach vier Wochen möchte ich dazu ein Gespräch mit Ihnen führen. Ich sehe Sie als große Chance, neue Akzente zu setzen.“

Frank fühlte sich geehrt und nahm sich vor, diese Aufgabe bestmöglich umzusetzen.

So wie Frank ergeht es sicher vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in einer neuen Firma starten, insbesondere dann, wenn sie eine zentrale Führungs- oder wichtige Fachaufgabe antreten. Mit offenen Augen gegen die unvermeidliche Betriebsblindheit, das ist immer eine große Chance und sie hat nur, wer von außen kommt. Oftmals bezahlen Unternehmen dafür sehr teure Berater. Der neue Kollege oder die neue Kollegin ist die Gratisversion und natürlich ist es richtig, diese zu nutzen.

Ob und wie gut das gelingt, hängt allerdings von einer Vielzahl von Faktoren ab und es ist keinesfalls sicher, dass es zu einem guten Ergebnis im Sinne vieler möglicher Verbesserungsvorschläge kommt. So könnten wir die Geschichte von Frank in zwei Versionen fortschreiben:

Vier Wochen später saß Frank wieder mit seinem Chef zusammen, der ihn erwartungsvoll anschaute. „Erzählen Sie, ich bin so gespannt, was Sie zu berichten haben. Wo liegen unsere Verbesserungspotentiale?“ Frank war etwas verlegen und schaute zu Boden. „Um ehrlich zu sein, ich finde Sie machen das alles hier sehr gut. Ich habe nicht wirklich etwas gefunden, dass Sie verbessern könnten.“

Eine Antwort, die der Chef wahrscheinlich nicht erwartet hat und die ihn enttäuscht. Er hat sicherlich in etwa folgende Antwort erwartet:

„Sie machen das alles schon sehr gut hier, dennoch habe ich hier eine Liste mit Aspekten zusammengestellt, über die wir reden sollten. Ich habe einige Punkte auch schon mit Kollegen diskutiert, um besser zu verstehen, warum sie das hier so und nicht anders machen. Dabei haben wir gemeinsam schon neue Ideen entwickelt und die Kollegen sind offen für diese Neuerungen.“

Perfekt, oder? Strahlen da nicht auch Ihre „Chefaugen“?

Welches Ergebnis nach den vier Wochen zu Stande kommt, ist nicht leicht vorherzusagen. Manchmal scheitert der Versuch, neue Mitarbeitende als Impulsgeber zu nutzen auf der ganzen Linie, in anderen Fällen gelingt es wunderbar. Dafür spielen viele Dinge eine Rolle, angefangen von den beteiligten Charakteren bis zum Briefing durch den Chef. Es gibt keine Garantien für ein gutes Ergebnis, dennoch möchte ich Ihnen gerne drei Überlegungen an die Hand geben, die zum Gelingen beitragen können:

Als Chef kann es sinnvoll sein, die Rolle des oder der Neuen offen zu kommunizieren und die Chance, die für alle in seinen oder ihren Beobachtungen steckt, transparent zu machen und auszusprechen. Wichtig ist dabei, den Menschen zu vermitteln, dass es nicht darum geht, was nicht gut läuft oder was man besser machen könnte. Eine solche Formulierung enthält automatisch eine negative Bewertung der aktuellen Arbeitsweise und könnte die Kollegen dazu verleiten, zu beweisen, dass es da ganz sicher nichts gibt. Wenn wir hingegen von „andersmachen“ oder „noch bessermachen“ sprechen, könnte die Bereitschaft zur Offenheit erhöht werden.

Menschen haben oft die Befürchtung, dass plötzlich alles anders werden könnte. Der oder die Neue  weiß es besser und schon wird es so gemacht, wie er oder sie es sagt. Diese Angst sollten Sie als Chef ihren Menschen unbedingt nehmen. Es sollte – auch um den oder die neue KollegenIn nicht mit zu hohen Erwartungen zu konfrontieren – nur um Ideen gehen. Wenn danach alle an der Diskussion und der ggf. erfolgenden Umsetzung beteiligt werden, sind die Ängste oftmals deutlich geringer und die Offenheit steigt. Als Chef sollten also auf jeden Fall klarstellen, dass alle an den Entscheidungen beteiligt werden.

Sind Sie der oder die Neue dann liegt es auch an Ihnen, die gewünschte Rolle erfolgreich auszufüllen. Das ist keinesfalls leicht, denn Sie könnten als „Besserwisser“ wahrgenommen werden und damit schnell keine Freunde mehr haben. Es ist also viel Empathie erforderlich, sensibel auf die Menschen einzugehen und sie dort abzuholen, wo sie aktuell stehen. Hier sind oftmals junge Kolleginnen und Kollegen besonders gefordert. Keinesfalls erscheint es ratsam, zu schnell mit vermeindlich besseren Lösungen „herauszuplatzen“ oder in leicht vorwurfsvolle Formulierungen zu verfallen, wie z.B.: „Also warum ihr das so macht, verstehe ich wirklich nicht… .“

Wichtig wird in jedem Fall sein, gut zuzuhören, viel zu fragen und eigene Erfahrungen eher als Angebote mit Vorteilen denn als bessere Lösungen, die man auf jeden Fall umsetzen sollte, zu formulieren. Fingerspritzengefühl ist gefragt.

Natürlich gibt es zahlreiche weitere Faktoren, die zum Gelingen einer Mission als neuer Kollege oder neue Kollegin Potentiale aufzuspüren, beitragen. Für einen Impuls möchte ich es jedoch hierbei belassen.

Nutzen Sie die Chance des frischen Blicks von außen und wenn Sie sensibel an dieses Thema herangehen und sich bewusst machen, dass der Erfolg einer solchen Aufgabe keinesfalls ein „Selbstgänger“ ist, haben Sie schon viel richtig gemacht. Es wäre doch zu schade, die Chance verpuffen zu lassen und hinterher zwar ein Wohlfühlbefinden bei allen zu haben, aber leider keinen Schritt vorangekommen zu sein.

Ein schönes Wochenende!

Der MP Impuls zum Wochenende

Es gibt Tage, an denen kann man als Coach sofort spüren, dass der Klient heute „unter Dampf“ steht. So ein Tag war heute. Mein Kunde kam sichtlich schlecht gelaunt durch die Tür, warf seine Tasche mit einiger Dynamik auf den Boden und sich selbst auf den Stuhl?

„Gibt’s auch ein Bier, statt Mineralwasser?“

OK, Zeit, dass er Dampf ablassen kann.

„Na auf, erzählen Sie mir, was los ist!“, rief ich ihm zu und er sprudelte los.

Da war dieser Kunde, der sich auf sein Internetangebot hin gemeldet hatte und mit dem er ein nettes Telefonat hatte. Mein Klient ist selbständiger Berater, es war eine Neukundenakquise. Der Kunde bat um ein Angebot und mein Klient hatte sich hingesetzt und ein ausführliches Angebot geschrieben. „Es hat mich viel Zeit gekostet!“, sagte er, sichtlich genervt. Er hatte alles detailreich ausgearbeitet und schließlich per Mail an seinen potentiellen Austraggeber verschickt. Das war vor 10 Tagen, eine Reaktion auf sein Mail gab es nicht.

„Und, haben Sie nochmal nachgefasst, ein nettes Erinnerungsmail geschrieben oder noch besser angerufen?“, hakte ich nach. Die Antwort kam, als hätte ich eine Lunte angezündet.

“Sorry, aber so bin ich nicht!”, donnerte mein Klient fast zurück. „Ich lauf ihm doch nicht nach, der wollte doch was von mir. Ich habe geliefert, jetzt ist er dran, sonst will ich auch gar nicht ihm arbeiten, kein Respekt. So geht das nicht!“

Ich schmunzelte in mich hinein, ich wollte ja, dass er Luft ablassen kann und hatte es erreicht. Die Emotionen waren erstmal raus und der Weg war frei, jetzt konstruktiv an dem Thema zu arbeiten. Natürlich nicht, ohne dass ich ihm erstmal Verständnis und aufmunternde Worte zukommen ließ.

„Haben Sie sich schon einmal nicht mehr gemeldet, nachdem Ihnen jemand etwas geschickt hat?“, fragte ich meinen Klienten. „Schon ganz oft“, kam die schnelle Antwort. Das „Aber“, welches er gerne hinterherschicken wollte, unterdrückte ich und bat ihn stattdessen, er möge doch einmal mögliche Gründe auf Moderationskarten schreiben, warum sich sein Kunde nicht gemeldet haben könnte. Die Karten sollte er bitte am Flipchart sammeln, ich würde derweil aus dem Bistro auf dem Gelände meines  Coachingraumes zwei Kaffee für uns holen. Und ich kann sehr langsam gehen, wenn ich volle Kaffeebecher tragen muss…

Als ich mehr als zehn Minuten später wieder durch die Tür kam, war das Flipchart voller Karten. „Großartig“, rief ich ihm zu, „lesen Sie vor!“

Die ersten Karten zielten auf mangelnde Qualität seines Angebotes ab, das dem Kunden entweder inhaltlich oder preislich nicht gefallen haben könnte. Danach kamen Themen, die mit ihm gar nichts zu tun hatten. Ist krank geworden, hat kurzfristig eine andere wichtigere Aufgabe bekommen, Prioritäten haben sich geändert, ist einfach noch nicht dazu gekommen und vieles mehr – es waren fast 20 Karten, die mein Kunde geschrieben hatte.

Ich ging ein paar Schritte zum Fenster lehnte mich dagegen und gab meinem Klienten ein Handzeichen mir zu folgen. „Charly“, begrüßte ich ihn, „schön, dass Du mal wieder da bist. Du bist schon sehr alt und ich weiß, Du hast als Berater alles erlebt, was man erleben kann. Du hast alles gesehen und Du weißt für alles eine Lösung. Klasse, dass Du gekommen bist, um meinem Klienten, dem Du ja zugesehen hast einen Rat zu geben. Wie lautet er?“

Charly, also natürlich mein Coachingnehmer, schmunzelte: „Wenn er weiterkommen will, muss er wohl anrufen!“

Es ist so menschlich, wir sind in Vorleistung gegangen, der andere ist am Zug. Es passiert aber – nichts. Derartige Situationen begegnen uns häufig, sowohl im Berufs- wie auch im Privatleben. Es ist nachvollziehbar, dass wir dann erstmal verletzt und enttäuscht sind. Die innere Stimme sagt, „dann eben nicht, mir doch egal“. So logisch diese Reaktion scheint, sie führt doch oft zu unbefriedigenden Ergebnissen. Im Geschäftsleben ist eine gewisse Hartnäckigkeit gar unentbehrlich. Über den eigenen Schatten zu springen, auch wenn eigentlich der andere am Zug ist, ist ständig erforderlich, sonst entgeht uns viel zu viel Geschäft. Immer sollten wir uns klar machen, dass es so viele Gründe gibt, warum der andere sich nicht meldet. Wenn wir sie nicht kennen, beginnt die „wilde“ Hypothesenbildung und je nach Charakter endet diese im worst-case noch damit, dass wir zu dem Ergebnis kommen, wir seien einfach zu blöd und beginnen uns selbst abzuwerten. Willkommen in der – wahrscheinlich vollkommen überflüssigen – Abwärtsspirale.

Zurück zu meinem Kunden, der am nächsten Tag gleich angerufen hat und die Auflösung war ganz einfach. Sein Kunde war eine Woche in Urlaub gewesen, hatte dann erstmal aufräumen müssen und war noch nicht bis zu seinem Angebot, das er sehr gut fand, vorgedrungen. Ins Geschäft kamen die beiden dann trotzdem nicht, aber man ist bis heute miteinander im Gespräch.

Es war so banal und es gab gar keinen Grund für all die negativen Emotionen, mit denen mein Klient durch die Tür gekommen war. Na klar, wenn wir in Vorleistung gehen, dann ist es immer schön, wenn es auch eine Gegenleitung, zumindest in Form einer Rückmeldung gibt. Dafür sollte man auch daran denken, dass man eine solche inklusive Termin auch gleich vereinbaren kann, dass entsteht für beide Seiten eine noch größere Verbindlichkeit. Bleibt die Gegenleistung aus, denken Sie immer daran, dass es dafür viele Gründe geben kann. Spekulieren Sie nicht, fassen Sie nach, springen Sie über den Schatten, der Sie zurückhalten möchte.

Meistens lohnt es sich, mindestens durch Erkenntnisgewinn!

Ein schönes Wochenende.