Arbeitswelt und Führung: aktuelle Trends und Umfragen, Ausgabe 07.05.2022

Immer mehr scheinen sich die Indizien zu verdichten, dass – wo immer es von der Art der Arbeit her möglich ist – hybrides Arbeiten die präferierte Arbeitsform der Zukunft sein wird. Schon heute ist die Mehrheit der Deutschen, die in Berufen tätig ist, in denen Arbeitsort und -zeit flexibel gestaltet werden können, hybrid tätig.

Die Ergebnisse der aktuellen, globalen Pulse-Studie des Future Forums zeigen für Deutschland eine „Hybrid-Quote“ von 62%, die damit um vier Prozentpunkte über dem globalen Durchschnitt liegt. Damit liegt die Quote immer noch deutlich unter den Wünschen der Mitarbeitenden, denn von diesen wünschten sich sogar 81%, hybrid arbeiten zu können. Besonders viel im Büro arbeiten übrigens nach wie vor die Führungskräfte: 71% der weltweit befragten Führungskräfte arbeiten derzeit drei oder mehr Tage pro Woche im Büro. Und drei von vier Führungskräften, die aktuell im Homeoffice arbeiten, können sich deutlich mehr Zeit im Büro gut vorstellen – ein krasser Gegensatz zu den Mitarbeitenden ohne Leitungsverantwortung, da waren es nur 33%.

Für das Arbeiten im Homeoffice wünschen sich die Beschäftigten mehr finanzielle Unterstützung von ihren Arbeitgebern. Das Trendence-Institut hat 1.800 Menschen befragt und herausgefunden, dass nur 19% Zuschüsse zur Homeoffice-Ausstattung erhalten haben. Zuschüsse zu den laufenden Kosten erhalten nur 9%. Die Erwartungshaltung liegt da doch deutlich höher, denn 38% halten Zuschüsse für PC-Ausstattung und schnelles Internet  für angemessen. Ein Viertel wünscht sich außerdem eine Beteiligung des Arbeitgebers an einer ergonomischen Büroausstattung. ‚Viele Wünsche‘, könnte man meinen, doch realistisch betrachtet, wird man sich annähern müssen, wenn hybrides Arbeiten wirklich die Zukunft ist. Jedenfalls dann, wenn man seine guten Leute binden oder neue gewinnen will.

Denn schon jetzt leidet das Teamklima unter den Auswirkungen der Pandemie. In einer Befragung der HR-Beratung Königssteiner-Gruppe beklagten 26% der Befragten, dass das Teamklima und insb. der Zusammenhalt im Team unter der Krise leiden. Bei jüngeren Mitarbeitenden waren es gar 30%. Homeoffice und Videokonferenzen seien zwar produktiv, aber offenbar weniger geeignet, das Wir-Gefühl und den Zusammenhalt zu stärken. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass virtuelle Führung für viele Führungskräfte eine neue Herausforderung darstellt. Wie wichtig dieses Wir-Gefühl ist, zeigt die Einordnung der Befragten in Bezug auf andere Elemente des Arbeitslebens. 56% der Befragten setzten die Bedeutung des Wir-Gefühls mit ihrem Gehalt gleich, gar 64% mit dem Verhalten ihrer Führungskräfte. 61% empfanden es ebenso wichtig wie ihre individuellen Weiterbildungsmöglichkeiten. Für die Arbeitszufriedenheit und damit die Identifikation mit und die Bindung an den Arbeitgeber ist das Team- bzw. Wir-Gefühl an Bedeutung also kaum zu überschätzen.

Dieser Aspekt nochmals bedeutender, wenn man einen Blick auf die momentane Wechselbereitschaft der Beschäftigten legt. Diese ist aktuell sehr hoch, wie ich bereits in früheren Blogbeiträgen dargelegt habe. Xing-Recruiting hat in der DACH-Region aktuell 2.523 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befragt und kommt zu dem Ergebnis, dass sich aktuell 37% (vier Prozentpunkte mehr als im Vorjahr) der Beschäftigten vorstellen können, den Arbeitgeber zu wechseln oder dies bereits in die Wege geleitet haben. Spannend ist dabei, dass offenbar auch die Risikobereitschaft der Beschäftigten gestiegen ist. Von den Beschäftigten, die tatsächlich gekündigt haben, hat nämlich jeder Vierte gekündigt, ohne eine neue Stelle in Aussicht zu haben. Die Menschen sind ganz offenbar also nicht mehr bereit, sich „alles gefallen zu lassen“. Die Hauptgründe über eine Kündigung nachzudenken, waren in dieser Studie:

  • Besseres Gehalt 42%
  • Unzufriedenheit mit der Geschäftsführung 38%
  • Unzufriedenheit mit der direkten Führungskraft 30%
  • Interesse an einer anderen Tätigkeit 31%
  • Fehelende Sinnhaftigkeit im Job 26%

Doch wie sah es dann tatsächlich bei denen aus, die auch wirklich gekündigt haben? Für mich wenig überraschend zeigt sich ein anderes Bild, das nicht vom Gehalt dominiert wird. Für die tatsächliche Kündigung gaben die Befragten folgende Gründe an:

  • Unzufriedenheit mit der Führung 28%
  • Work-Life-Balance stimmt nicht 27%
  • Möchte andere Tätigkeit ausüben 24%
  • Gehalt verbessern 19%

Und so zeigt auch diese Studie wieder einmal: Über Gehalt wird viel gesprochen, im Zweifel ist und bleibt es aber nur ein klassischer Hygienefaktor (nach Herzberg). Für die Bindung guter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, eine gute Stimmung, Motivation und Arbeitszufriedenheit sind andere Faktoren deutlich mehr von Bedeutung.

Angesichts von vielen Arbeitgeberwechseln verwundert es nicht, dass auch im Bereich der Personalabteilungen die Nachfrage nach qualifiziertem Personal gestiegen ist. Dem Fachkräfte-Index des Recruiting-Unternehmens Hays zu Folge hat die Nachfrage nach HR-Fachkräften von allen Bereichen am stärksten zugenommen. Vom dritten zum vierten Quartal 2021 stieg dieser Index um 80 Punkte auf 310 Punkte an (Basis 2015=100). Über alle Branchen hinweg war die Nachfrage damit im vierten Quartal 2021 fast doppelt so hoch wie von der Pandemie, also im vierten Quartal 2019. Gute Aussichten also für HR-Fachkräfte sich aktuell eine lukrative und gut bezahlte Stelle aussuchen zu können.

Zum Schluss noch ein anderes Thema, welches die Bertelsmann Stiftung aufgegriffen hat. Sie setzte sich in einer Befragung von 1.026 Führungskräften mit der Frage auseinander, ob es in den Unternehmen eine Geschlechterbenachteiligung gibt oder nicht. Die Ergebnisse fallen sehr eindeutig aus, sind aber nur bedingt ein Grund zum Jubeln:

  • 82% gaben an, in ihrem Unternehmen keine Geschlechterkonflikte zu erleben.
  • 77% glauben, dass in ihrem Unternehmen das Gehalt unabhängig vom Geschlecht gezahlt wird.
  • 70% glauben, dass Diskriminierung bei Neueinstellungen und Beförderungen effektiv vermieden wird.

Kein Wunder also, dass viele verbindliche Regelungen, z.B. Frauenquoten oder gendergerechte Sprache für überflüssig und die Diskussion darüber gar für kontraproduktiv halten.

Einen Unterschied in der Bewertung zwischen männlichen und weiblichen Führungskräften stellten die Studienautoren übrigens nicht fest! Wohl aber einen Unterschied je nach hierarchischer Position im Unternehmen: Je höher die Befragten in der Hierarchie standen, desto weniger Handlungsbedarf sahen sie! Ganz nach dem Motto: „Wo ich das Sagen habe, ist natürlich alles in Ordnung.“

„Das schreit doch alles nach einem Realitätscheck!“, möchten Sie ausrufen? Das kann ich verstehen und genau zu diesem Ergebnis kommen auch die Autoren dieser Studie. Nur liefern sie diesen Realitätscheck leider nicht.

Ich sehe mich außer Stande, die Einschätzungen der Führungskräfte zu widerlegen. Genauso sehe ich mich außer Stande, sie zu bestätigen. Bestätigt sehe ich mich allerdings wieder einmal in meiner These, die mich schon dazu veranlasst hat, zwei Bücher in meiner Reihe „Das knallrote Cabrio“ zu schreiben: Eine der wichtigsten Fähigkeiten für Führungskräfte ist die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion.

Alle Studien wurden veröffentlicht in der Ausgabe 5/2022 von managerseminare.

Arbeitswelt und Führung: aktuelle Trends und Umfragen, Ausgabe 30.03.2022

In diesem Monat möchte ich mich auf drei aktuelle Umfragen beschränken. Die Zukunft der Arbeitswelt ist nach wie vor massiv in Bewegung und immer wieder sehen wir, wie deutlich sich die Veränderungen abzeichnen und wie heftig sie ausfallen könnten.

Das „optimale Arbeitsmodell der Zukunft“ wird nach wie vor gesucht, wenn es so etwas überhaupt in allgemeiner Form geben kann, woran ich meine Zweifel habe. Vieles spricht jedoch dafür, dass hybrides Arbeiten so etwas wie das neue Standardmodell werden könnte. Dies jedenfalls legt eine aktuelle Befragung des Dienstleisters Accenture nahe, die in 11 Ländern (darunter auch Deutschland) unter Beteiligung von 9.000 Personen durchgeführt wurde. 83% der Befragten hielten in dieser Studie hybrides Arbeiten für optimal. Solche Ergebnisse haben wir zuletzt bereits in zahlreichen anderen Studien gesehen. Besonders interessant erscheinen daher in dieser Studie, die explizit herausgearbeiteten Gründe. Dabei wurde sowohl erfragt, warum die Menschen von Zeit zu Zeit ins Büro gehen wollen und auch was besonders für das Arbeiten von zu Hause spricht.

Gemäß dieser Studie waren die fünf wichtigsten Gründe für das Büro:

  • der bessere Zugang zu Technik (27%)
  • der Face-to-Face-Kontakt zu den Kollegen (25%)
  • eine bessere Arbeitsroutine (23%)
  • eine mehr inspirierende Innovationsumgebung (22%)
  • eine bessere Sichtbarkeit bei Führungskräften (22%)

Bei den Nennungen der Gründe für die Arbeit im Homeoffice fällt generell auf, dass Zustimmungswerte zu den genannten Aspekten höher ausfallen. Die fünf wichtigsten waren:

  • wir fühlen uns zu Hause sicherer (34%)
  • bessere Lebensqualität (32%)
  • mehr Freiheit und Flexibilität (31%)
  • sehr gute technische Ausstattung, um produktiv zu arbeiten (30%)
  • ausreichend Platz für produktives Arbeiten vorhanden (28%)

Gerade wenn wir auch an frühere Befragungen denken (ich erinnere daran, dass Bewerber sich teilweise gar nicht mehr bei Unternehmen bewerben wollen, die kein Homeoffice anbieten), dann scheint hybrides Arbeiten dort, wo es sachlich möglich ist, kaum noch aufzuhalten. Wie unterschiedlich die persönlichen Situationen nach wie vor wahrgenommen werden, zeigt sich jedoch an dieser Befragung wieder einmal recht deutlich.

Wenn sich aktuell so viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neu orientieren (siehe mein Blogartikel aus dem letzten Monat), dann stellt sich natürlich auch die Frage, welches die entscheidenden Gründe, bei der Auswahl des neuen Jobs sind. Die Arbeitgeber-Bewertungsplattform kununu hat für ihre Studie rund 1.600 Teilnehmende nach den Wohlfühlfaktoren im Job gefragt. Besonders interessant in dieser Befragung ist die Differenzierung, wie die einzelnen Faktoren einerseits konkret im Job und andererseits im Leben allgemein bewertet werden.

57% der Befragten fanden Arbeitszeit im Job besonders wichtig, im Leben allgemein sogar 62%. Das Gehalt fanden im Job 45% besonders wichtig und im Leben allgemein 49%. Diese beiden Aspekte zeigen sich – wieder einmal – als die wichtigsten Teilkomponenten, wobei sich der Trend fortsetzt, dass Arbeitszeit immer häufiger deutlich vor dem Gehalt liegt. Für ein besseres Gehalt würden die meisten Menschen übrigens auch mehr leisten: 59% sagten, sie seien für ein höheres Gehalt auch bereit, mehr Aufgabenverantwortung zu übernehmen. 36% wären auch für (mehr) Personalverantwortung offen.

Spannend finde ich persönlich auch die Ergebnisse zum Thema Wertschätzung: Während im Job 55% diesen Aspekt wichtig fanden, waren es im Leben allgemein nur 36%. Das lasse ich mal so stehen… .

Die vergangenen zwei Jahre haben viele Menschen mit für sie überwiegend neuen Formen der Zusammenarbeit konfrontiert. Gleichzeitig stiegen die Unsicherheiten und Gefahren im Arbeitsalltag für viele Menschen sprunghaft an. Manch einem fiel es schwer, weiterhin „er selbst zu sein“, sich also authentisch und für seine Kolleginnen und Kollegen berechenbar zu verhalten. Doch ist Authentizität überhaupt wichtig? Eine Studie der ComTeam Group (ein Consulting- und Trainingsunternehmen), für die 1.166 Personen befragt wurden, kommt zu sehr eindeutigen Ergebnissen: Neun von zehn Menschen ist Authentizität wichtig! Die Teilnehmenden wurden auch gefragt, wie es um ihre eigene Authentizität bestellt ist. 86% gaben an, dass sie sich „voll und ganz“ oder zumindest „eher“ ihren Werten entsprechend verhalten. Fast genauso viele bleiben nach eigenen Aussagen ihren Werten treu.

Wenn diese Zahlen richtig sind, dann dürften Unternehmen in der Praxis mit einem Mangel an Authentizität kein Problem haben. Ob dem in Ihrem Unternehmen so ist, müssen Sie selbst beurteilen. Klar ist: Je stärker sich Mitarbeitende bei der Arbeit mit ihren eigenen Werten identifizieren können, desto stärker ist auch die Identifikation mit und damit die Bindung an den Arbeitgeber.

Die Arbeitswelt ist in Bewegung, Europa insgesamt ist in Bewegung geraten und nicht alle aktuellen Bewegungen können wir begrüßen. Wie auch immer sich die Konjunktur, die Auftragslagen und die Veränderungen im Wertegefüge der Menschen weiter entwickeln werden, die Auswirkungen auf die Zusammenarbeit in den Unternehmen werden spannend bleiben. Ich werde Sie weiter im Blick behalten.

Alle zitierten Umfragen wurden veröffentlicht in der Ausgabe 4/2022 von managerseminare.