Arbeitswelt und Führung: aktuelle Trends und Umfragen, Ausgabe 26.10.2022

In diesem Monat habe ich für Sie vier Umfrageergebnisse ausgewählt, die ich gerne mit Ihnen teilen möchte.

Corona hat uns alle unzweifelhaft in den letzten Jahren eine der größten Krisen der jüngeren Vergangenheit beschert. Doch auch Corona ist mal wieder ein Beispiel dafür, dass jede Krise auch eine Chance ist, denn es zeigen sich auch positive Entwicklungen in den Unternehmen. In einer Studie des Digitalverbandes Bitkom gaben 79% der befragten abhängig Beschäftigten an, dass sie den Eindruck hätten, ihr Arbeitgeber würde seinen Mitarbeitern mehr Vertrauen schenken und auch mehr auf ihre Eigenverantwortung vertrauen als vor der Corona Krise. Das finde ich einen überraschend guten Wert! Auch im Führungsstil vieler Führungskräfte werden offenbar positive Veränderungen wahrgenommen. So hatten 40% der Befragten das Gefühl, dass ihre Führungskraft mehr auf die Belange der Mitarbeitenden eingeht als vor Corona. Etwa die Hälfte gab außerdem an, dass im Unternehmen nunmehr mehr auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden geachtet wird. Positive Veränderungen sind also ganz offenbar in vielen Unternehmen auf dem Weg – jede Krise ist eben auch eine Chance.

Diese positiven Veränderungen in den Unternehmen könnten sich auch bei der Suche nach neuen Mitarbeitenden positiv auswirken. Der aktuelle Blue- and Grey-Collar-Report der Jobplattform Joblift, für den deutschlandweit 1500 Menschen befragt wurden, zeigt nämlich, dass Arbeitsatmosphäre und Führungsarbeit sehr wichtige Kriterien bei der Jobsuche sind. Die Befragten fanden zunächst Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitenden am attraktivsten, so dass sich Mittelständler freuen können, da sie offenbar als attraktiver als Großkonzerne erlebt werden. 75% der Befragten legten Wert auf eine Arbeitsatmosphäre, die durch ein familiäres Miteinander geprägt ist. 73% der Befragten war ein fairer und menschlicher Führungsstil besonders wichtig. Auf dem Dritten Platz folgte mit 65% der Nennungen eine optimale Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wesentlich weniger Bedeutung wurde von den Befragten etwa dem Unternehmensimage und den eigenen Aufstiegsmöglichkeiten (je 24%) oder den konkreten Weiterbildungsmöglichkeiten (19%) zugemessen. Wenn Sie schon früher einmal meine Blogbeiträge gelesen haben, dann werden Sie diese Ergebnisse nicht überraschen. Seit Jahren finden wir immer wieder drei Big Points und seit einigen Jahren einen klaren Aufsteiger, wenn es um die Fragen von Arbeitgeberwahl und Mitarbeitermotivation geht. Diese Studie macht da keine Ausnahme. Die großen drei Aspekte sind immer wieder (vereinfacht dargestellt): die Aufgabe selbst, der Chef bzw. die Chefin und das Team. Der „Aufsteiger“ ist seit Jahren das Thema „Work-Life-Balance“, ganz gleich welchen Namen (in dieser Studie: Vereinbarkeit von Familie und Beruf) Sie dafür bevorzugen. Die aktuelle Befragung liegt also voll und ganz im Trend der letzten Jahre.

Das kann man von den Ergebnissen des aktuellen Karrierebarometers der Recruiting-Plattform JobTeaser nicht unbedingt behaupten. Häufig habe ich den letzten Jahren daraufhin gewiesen, dass aktuellen Umfragen zu Folge Deutschland die Führungskräfte auszugehen scheinen, da junge Menschen zunehmend keine Führungsverantwortung mehr anstreben. In der aktuellen Befragung, in der fast 2000 junge Talente befragt wurden, gaben immerhin 70% an, dass sie innerhalb der nächsten 10 Jahre Führungsverantwortung übernehmen wollen. Das ist ein überraschend hoher Wert. 80% legen Wert darauf, bei künftigen Job- und Abteilungsentscheidungen mitreden zu können. Bevor wir nun jedoch alle jubilieren, dass wir demnächst jede Menge Führungsaspiranten zur Auswahl haben werden, muss ich leider doch etwas Wasser in den Wein gießen, denn eigentlich wissen die meisten jungen Menschen noch gar nicht, was sie wollen. 86% der Befragten gaben nämlich an, noch gar keinen klaren Karriereweg vor Augen zu haben. Und noch schlimmer: Angesichts der aktuellen Lage machen sich signifikante 93% der Befragungsteilnehmer Sorgen um ihre berufliche Laufbahn. Ob wir also bald wirklich so viele potentielle Führungskräfte haben, bleibt aus meiner Sicht schlicht abzuwarten. Ich persönlich bin nicht sehr optimistisch.

Der Fachkräftemangel ist aktuell an vielen Stellen unseres Zusammenlebens deutlich spürbar und wurde in meinem Blog auch schon häufig thematisiert. Eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP) und des Softwareanbieters Textkernel hat 68.000 Webseiten mit Stellenanzeigen untersucht. Im Ergebnis zeigt sich, dass im Bereich HR der Personalbedarf offenbar so groß ist, wie noch nie. Allein im ersten Quartal 2022 gab es in Deutschland 75.000 offene HR-Stellen, wobei Recruiter ganz besonders gesucht waren. Die Zahlen steigen aktuell weiter an, so dass Mitarbeitende, die sich für einen Arbeitsplatz im HR-Bereich interessieren zur Zeit besonders gute Jobaussichten haben.

Alle zitierten Studien wurden veröffentlicht in der Ausgabe 11/2022 von mangerseminare.

Lob stärkt Führungsbereitschaft

Uns gehen die Führungskräfte aus, denn immer weniger junge Menschen wollen Führungsaufgaben übernehmen. Dazu habe ich an dieser Stelle schon mehrere Studien zitiert.

Ein interessantes Experiment führten jetzt Wissenschaftler an der University of Exeter Business School durch. Sie unterzogen 248 Studenten jeweils in Vierergruppen einem Test und gaben ihnen anschließend Feed-Back dazu, wie sie im Verhältnis zu den anderen drei Gruppenmitgliedern abgeschnitten hatten. Außerdem wurde auch getestet, wie es um die Bereitschaft der Einzelnen bestand, die Führung der Gruppe zu übernehmen.

Im Ergebnis waren besonders diejenigen bereit die Führung der Gruppe zu übernehmen, die am besten abgeschnitten hatten. Lob stärkt also offenbar die Bereitschaft, Führungsaufgaben zu übernehmen.

Interessant ist auch, dass männliche Kandidaten dazu sowohl in gemischten als auch in rein männlichen Gruppen bereit waren. Frauen waren nur in gemischten Gruppen bereit, die Führung zu übernehmen. In rein weiblichen Gruppen agierten sie sehr viel zurückhaltender und zögerlicher.

Die Studienautoren erklären dies damit, dass Frauen untereinander weniger auf Wettbewerb setzen. Fairness und Gleichberechtigung in der Zusammenarbeit stünden höher im Kurs, wobei dieses Gefühl abflaue, wenn männliche Kollegen mit im Team seien. Die Bewertung dieser These überlasse ich ihrem persönlichen Erfahrungsschatz.

Fazit: Wollen Sie junge Menschen und insb. junge Frauen zur Führungsaugaben animieren, ist Anerkennung ein sehr wichtiges und geeignetes Instrument, dies zu tun.

Und, da wir im Allgemeinen eh viel zu wenig loben, fangen Sie doch gleich damit an.

Nachwuchsgewinnung ist Chefsache

Wie gewinne ich die richtigen jungen Menschen für mein Unternehmen? Wie begeistere ich die Besten gerade für mein Unternehmen arbeiten zu wollen?

Diese Fragen sind angesichts aktueller Entwicklungen des Arbeitsmarktes und der Anforderungen, die die Generation Z an ihre zukünftigen Arbeitgeber stellt, ohne jede Frage von zentraler Bedeutung für nahezu jedes Unternehmen, das seine Zukunfstfähigkeit sichern möchte.

Da sind Praktika natürlich ein gutes Mittel für beide Seiten: man kann einander Kennenlernen, einen überzeugenden ersten Eindruck hinterlassen und Verbindungen knüpfen, die zu dauerhaften Arbeitsverhältnissen führen. All das klappt natürlich nur, wenn das Praktikum ein positives Erlebnis für die Praktikanten ist und genau in diesem Punkt scheinen wieder einmal Anspruch und Wirklichkeit aufeinander zu prallen.

In einer online-Umfrage der Unternehmensberatung Clevis Consult unter mehr als 4500 deutschen Nachwuchskräften ergab sich nämlich ein ziemlich eindeutiges Ergebnis, welche Ansprüche und Wünsche die jungen Menschen an ihr Praktikum haben: Für satte 79% der Befragten gehört dazu vor allem die Kommunikation der Führungskraft. Das kann niemanden überraschen, wenn wir uns bewusst machen, dass gerade diese Generation immer wieder als die Feed-Back-Junkies tituliert wird. Wie in so vielen Dingen, haben also auch hier, die Führungskräfte einen Schlüssel zum Erfolg in Ihren Händen; sie nutzen ihn nur leider zu selten.

77% der Befragten gaben nämlich an, während ihres Praktikums keine Unterstützung ihres Chefs im Sinne einer coachenden Führung erhalten zu haben. Mehr als 50% vermissten eine Einfühungsveranstaltung (als sei die Psychologie des ersten Eindrucks in den Unternehmen ein völlig unbekanntes Fremdwort?) und immerhin mehr als 33% bekamen auch kein Abschlussfeedback. Vielleicht war das ja genau das Drittel, welches das Unternehmen auch nicht dauerhaft beschäftigen wollte? Vielleicht… – aber mit Stil und Professionalität hat das selbst dann wenig zu tun.

Wieder einmal vergeben sich die Unternehmen scheinbar eine Chance, die guten Leute an sich zu binden, weil ihre Führungskräfte einen Teil ihrer Aufgaben nicht gut genug wahrnehmen oder vielleicht gar nicht dafür sensibilisiert und gebrieft wurden. Das ist besonders schade, denn die eigentlich so freiheitsliebende Generation Z ist in Sachen Führung doch eher konservativ eingestellt. Immerhin 41% der Befragten fanden flache Hierarchien nicht so wichtig. Führungskräfte hätten also schon aus Ihrer Funktion heraus Akzeptanz gehabt und für das Unternehmen punkten können.

Fazit dieser Umfrage: Praktika sollten professionell gestaltet und durch sinnvolle Kommunikation mit den Praktikanten optimal genutzt werden.
Dies ist Aufgabe aller Führungskräfte im Unternehmen – Nachwuchsgewinnung ist damit im wahrsten Sinne des Wortes CHEFSACHE!