Der MP Impuls zur Selbstreflexion vom 22.04.2023

„Genieße den Moment…“ stand über einem Bild, dass in einem der sozialen Netzwerke meine Aufmerksamkeit erregte. Das Bild sorgte für ein Lächeln in meinem Gesicht, ich lehnte mich zurück und freute mich mit der Verfasserin dieser kurzen Botschaft, die auch die Fotografin des Bildes war. Es war „nur“ ein Handyfoto.

Doch am besten erzähle ich diese kurze Geschichte der Reihe nach.

Klaudia, Mitte 50, selbständige Kosmetikerin, hatte mich vor ein paar Wochen angerufen, weil eine gute Freundin ihr meine Telefonnummer gegeben hatte. Ob wir uns mal unterhalten könnten, sie brauche Hilfe und vielleicht könnte ich der Richtige dafür sein.

Nichts lieber als das – als Coach gibt es kaum ein größeres Kompliment als das Empfehlungsgeschäft. Schon im Kennenlerngespräch war Klaudia sehr offen gewesen und hatte ihre Situation ausführlich geschildert. Es kam bei ihr gerade viel zusammen: Stress im Beruf, Herausforderungen in der Beziehung, Krankheit eines Elternteils, Schulprobleme eines Kindes und wohl auch eigene Unzufriedenheit mit sich selbst, was allerdings meine Interpretation ist.

„Gut Klaudia, wofür möchtest Du mit mir zusammenarbeiten?“ So lautete auch für Klaudia die Frage nach der Zieldefinition unseres Coachings. Es fiel Ihr schwer dieses Ziel zu formulieren, denn sie war gefangen in ihrer Problemfokussierung. Alles falle ihr im Moment schwer, sie habe kaum Kraft, könne sich nur mit Mühe zu etwas aufraffen und habe kaum noch Spaß an ihren Hobbys. Selbst das Mountainbiken, dass sie immer mit Hingabe und fast täglich gemacht hatte, sei aktuell ohne Freude. Sie fahre zwar, aber Spaß oder gar Freude mache es nicht. Immer mehr ziehe sie sich auch zurück, wolle allein sein und warte oft nur darauf, dass die Tage zu Ende gehen. Ihr Leben sei freudlos, dass fasse es wohl gut zusammen.

Der ein oder andere von Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wird nun sicher denken, das klingt sehr nach einem Burn-Out, doch bei diesem Begriff reagierte Klaudia sofort und wiess das Thema weit von sich. Manchmal muss man Begriffe vielleicht umformulieren und so einigten wird uns auf große Erschöpfung. Damit konnte sie gut leben.

„Ok, das habe ich alles verstanden“, sagte ich zu Klaudia. „Deine aktuelle Situation hast Du gut beschrieben, doch nun zurück zu meiner Frage. Wofür arbeiten wir beide zusammen?“ Einige Zeit später stand ein Ziel auf dem Flipchart, dass für einen Business Coach wie mich nicht alltäglich ist, auch wenn ich stets den ganzheitlichen Coachingansatz der vier Lebensfelder (Beruf, Freunde und Familie, Gesundheit und Ich-Selbst) verfolge.

„Ich möchte wieder Freude am Leben haben und positiv in die Zukunft schauen.“

„Die ich rief, die Geister…“, ging es mir für eine Sekunde durch den Kopf. Das ist ein komplexes Thema und wir beide arbeiten nach wie vor daran.

Ohne auf die Details von Klaudia einzugehen, zeigte sich bei ihr die typische Situation, in der sich viele Menschen gerade zwischen 50 und 60 häufig befinden. Die Belastungen kommen von mehreren Seiten gleichzeitig, sie nehmen einem den Freiraum und der Blick geht nur noch auf die Probleme. Bei Klaudia war es vor allem die Krankheit des Elternteils, die sie sehr belastete. Sie hatte keine Geschwister, die Eltern lebten weit weg, sie musste immer wieder reisen, der Fortgang der Krankheit war ungewiss und die damit zusammenhängenden Folgen auch. Sie hatte Kunden verloren, da sie immer wieder Termine absagen musste, der wirtschaftliche Druck war da.

Nun also zurück zu dem Bild in dem sozialen Netzwerk, mit dem ich diesen Impuls begonnen habe. Eine Aufgabe, die ich Klaudia mit auf den Weg gegeben hatte, war, sich im Alltag immer wieder auf die kleinen, schönen und energiespendenden Momente zu fokussieren. Sie sollte wieder lernen, die schönen, die positiven Seiten der Dinge zu sehen. Ihre großen Belastungen waren nicht durch kurzfristige Maßnahmen zu lösen, es würde dauern, die Dinge nach und nach zu ordnen. Was sie sofort tun konnte, war, ihre Gedanken zu ändern und die Dinge, die Ihr gut taten wieder zu sehen, wertzuschätzen und vor allem zu genießen.

Aktuell wusste ich sie auf einer Reise, die sie nur sehr widerwillig angetreten hatte. Sie, die Landfrau, die Fläche liebte und so gerne durch die Landschaft cruiste, war in einer Großstadt. Eine Tagung zwang sie dorthin und auch die Eltern, die wieder ihre Hilfe brauchten, lebten dort.

Das Bild war ein Schnappschuss aus dem Hotelfenster ihres Zimmers, hoch oben im 23. Stock eines Hochhauses. Die Sonne ging gerade auf und spiegelte sich im Fluss, der an dem Hotel voreifloss. Es sah eigentlich aus wie im Urlaub.

Wenig später bekam ich dann auch eine Whatsapp-Nachricht: „Warmer Kaffee, aufgehende Sonne, könnte schöner auch im Urlaub nicht sein…, BG Klaudia“.

Sie war auf dem Weg, die kleinen schönen Momente wieder zu entdecken und wahrzunehmen, ja vielleicht sogar zu genießen. Das ist der erste wichtige Schritt zurück zu sich selbst, wieder entdecken, was mir guttut. Und das sind oft die kleinen Dinge, die dann vieles besser erträglich und unsere Stimmung positiver machen. Unsere Gedanken können wir sofort verändern – Klaudia war auf dem Weg, daher das Lächeln in meinem Gesicht.

Und nun wie immer zu Ihnen, liebe Leserinnen und Leser:

Wie ist gerade ihr allgemeiner Gemütszustand?

Wenn es auch bei Ihnen gerade an Freude und Leichtigkeit im Leben fehlt, was würde Ihnen guttun?

Wofür könnten Sie wieder einmal den Blick öffnen?

Was sind die kleinen Dinge, die Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern?

Denken Sie positiv, die großen Probleme lösen sich nicht auf die Schnelle, aber immer gibt es auch die schönen, die energiespendenden Momente – Sie müssen Sie nur sehen. Fangen Sie doch gleich damit an!

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!

Arbeitswelt und Führung: aktuelle Trends und Umfragen, Ausgabe 25.03.2023

Diesen Beitrag möchte ich gerne mit einer Studie beginnen, die derzeit in aller Munde ist und ich vermute, dass auch Sie schon davon gehört haben.

Sechs Monate lang haben in Großbritannien 61 Unternehmen bei voller Bezahlung auf die 4-Tage-Woche umgestellt. Rund 2900 Beschäftigte aus ganz unterschiedlichen Branchen haben an dieser weltweit größten Untersuchung zur 4-Tage-Woche teilgenommen und die Ergebnisse könnten bahnbrechend sein. Dass die von der Universität Cambridge durchgeführte Studie positive Ergebnisse auf der Mitarbeiterseite zeigen würde, war zu erwarten. So überrascht allenfalls die Deutlichkeit des Ausschlags, denn 71% der Teilnehmenden sahen sich viel weniger vom Burn-Out bedroht und 39% fühlten sich viel weniger gestresst. Schon die daraus resultierenden Folgen sind auch für die Unternehmen großartig, denn die Zahl der Krankheitstage ging um signifikante 65% zurück und auch die Kündigungszahlen waren um 57% zum Vergleichszeitraum rückläufig. Schon dies könnte man als Win-Win-Situation beschreiben. Doch damit nicht genug, denn obwohl weniger Arbeitszeit eingesetzt wurde, stiegen die Umsätze der Unternehmen sogar leicht um 1,4% an. Die Produktivitätsgewinne haben also die Arbeitszeitverkürzung mehr als ausgeglichen, was wohl vor allem daran lag, dass sich die Beschäftigten selbst viel mehr um Effizienz bemühten, lange Besprechungen reduziert und viel weniger Zeit „totgeschlagen“ wurde. Die frei gewordene Zeit nutzen die Beschäftigten auf ganz unterschiedliche Weise, etwa für Erledigungen, Hausarbeit, Pflege von Angehörigen oder Aktivitäten mit der Familie.

Alle sind offenbar sehr zufrieden, ist das neue „Wundermittel“ der Arbeitsformen gefunden worden? Wer weiß, jedenfalls wollen fast alle beteiligten Unternehmen (92%) erstmal im neu erprobten Modus weitermachen. Großartig würde ich sagen, bleiben wir neugierig, wie sich die längerfristige Entwicklung gestaltet.

Eine Studie des Redaktionsnetzwerks Deutschland hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie Deutschlands Führungskräfte mit den vielfältigen Verunsicherungen in der Gesellschaft umgehen, die sich aus den diversen Krisen der letzten Monate ergeben hat. Von den 2000 befragten Führungskräften sahen es etwa 10% als die aktuell größte Herausforderung an, den Mitarbeitenden Halt in diesen unsicheren Zeiten zu geben. Dabei setzen 72% der Befragten vor allem auf offene Kommunikation mit ihren Teams und 50% möchten ausdrücklich die Sicherheit des Arbeitsplatzes betonen. Mehr als ein Drittel möchte sich stark auf die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Arbeitgeber fokussieren und mehr als 25% wollen sich verstärkt um das Wohlbefinden ihrer Teams kümmern. Ich persönlich hoffe, dass Führungskräfte dies nicht nur in besonders krisenhaften Zeiten, wie wir sie aktuell haben, tun. Es erscheint aktuell auf jeden Fall zielführend die Arbeit als Ort der Stabilität zu gestalten und den Mitarbeitenden Halt zu geben.

Nur kurz (siehe Schaubild) möchte ich auf eine Studie von Culture Amp schauen, die Gründe für einen Jobwechsel untersucht hat und dabei besonders auf die Unterschiede der Geschlechter eingegangen ist. Auffällig ist dabei, dass Frauen offenbar signifikant häufiger aufgrund eines als zu stressig erlebten Arbeitsumfeldes den Arbeitgeber wechseln. Während nur 29% der Männer diesen Grund angaben, waren es mit 51% mehr als die Hälfte der Frauen. Auch fühlen sich Frauen nach wie vor deutlich häufiger aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt. Nur 9% der Männer gaben an, sich aufgrund von Geschlecht oder Herkunft benachteiligt zu fühlen, aber 22% der Frauen nannten diesen Grund. Wir haben also noch viel zu tun.

Nun zu zwei anderen Themen aus dem Bereich der Mitarbeiterzufriedenheit. Die Hochschule Niederrhein hat in einer Studie ermittelt, dass offenbar 25% der Befragten nur so tut, als seien die Umstände schöner als sie wirklich sind. In Wahrheit haben diese Mitarbeitenden bereits resigniert und akzeptiert, dass bessere Arbeitsbedingungen offenbar nicht möglich sind. Diese in der Studie „Frustrierte“ genannten Mitarbeitenden weisen natürlich keine besonders hohe Motivation und Leistungsbereitschaft mehr auf. Die Studienautoren empfehlen an den Kriterien anzusetzen, die in der Studie die größten Diskrepanzen aufwiesen: ein leistungsgerechteres Gehalt, effektivere Arbeitsabläufe, ein positiveres Betriebsklima und eine Gleichbehandlung der Mitarbeitenden.

In einer Studie der Bitkom Akademie gemeinsam mit HR-Pepper Management Consultants wurde der Blick auf die Frage, inwieweit Weiterbildungsmöglichkeiten für die Mitarbeitenden relevant sind, gelenkt. Starke 84% finden das ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl Ihres Arbeitgebers. Besonders hoch im Kurs stehen dabei Weiterbildungen, die speziell auf das Unternehmen abgestimmt, also sozusagen nicht „von der Stange“ sind. 87% der Teilenehmenden stimmten nach dem Besuch einer solchen Weiterbildung der Aussage zu, dass damit positive Auswirkungen für das Unternehmen und das Team erreicht wurden. Weiterbildung steht also nach wie vor hoch im Kurs!

Das haben offenbar auch die Unternehmen erkannt, denn in einer internationalen Studie von Ernst & Young zeigen sich die Investitionsabsichten der Unternehmen ganz klar: 60% der Befragten haben vor, in „Menschen und ihre Fähigkeiten“ zu investieren. Gut so!

Remote Leadership war für viele Führungskräfte eine der größten Veränderungen, die die Corona Pandemie mit sich brachte. Viele von ihnen fühlen sich dadurch nach wie vor belastet. In einer Studie der Managementberatung Kienbaum gaben 61% der Führungskräfte an, dass ihre Arbeitsbelastung durch Remote-Leadership gestiegen ist. Nur 5% der Befragten erlebten dadurch eine Erleichterung, was nochmals zeigt, dass Führen auf Distanz ganz offenbar für sehr viele Führungskräfte vor Corona keinesfalls üblich war. Die Führungskräfte in Deutschland befinden sich also offenbar noch mitten im Change-Prozess. 55% erklärten, sie fühlten sich durch Remote-Leadership in ihren Möglichkeiten eingeschränkt und erlebten damit keinen Mehrwert. 44% fühlten sich gar unter Druck gesetzt und 38% verspürten Erschöpfung. Trotz diesen eher nachdenklich machenden Zahlen, scheint allen klar zu sein, dass hybrides Arbeiten und damit auch Remote-Leadership ein wesentlicher Bestandteil der Zukunft ist. 45% bewerten denn auch Remote-Leadership als grundsätzlich positiv und 34% stehen ihm neutral gegenüber. Den Unternehmen kann man bei diesen Befragungsergebnissen wohl nur empfehlen, ihre Führungskräfte nach wie vor in diesem Change-Prozess zu begleiten und zu unterstützen und keinesfalls in den „ihr macht das schon-Modus“ zu verfallen.

Auch eine Studie des Technologieunternehmens Alludo zeigt auf, dass Remote- und Hybridarbeit als die Arbeitsform der Zukunft angesehen wird. Unter mehr als 2.000 befragten Beschäftigten gingen 72% davon aus, dass dies die Arbeitsformen der Zukunft sind. Unter den Führungskräften in Deutschland waren es sogar 76%, wobei 63% von ihnen bereits heute so arbeiten. Bei den Mitarbeitenden ohne Führungsverantwortung sind wir da in Deutschland noch nicht ganz so weit. Nur 38% der Befragten dürfen den Arbeitsort komplett frei wählen und 23% müssen gar fünf Tage die Woche im Büro erscheinen. Bei den befragten Führungskräften waren dies nur noch 5%. Die Suche nach dem „New-Normal“ ist also nach wie vor in vollem Gange, aber das verwundert ja auch nicht.

Immer wieder interessant ist auch der Blick auf die von Stepstone vorgelegten Befragungsergebnisse hinsichtlich der wesentlichen Anforderungen der Young-Professionals an ihre Arbeitgeber. Es verwundert wenig (siehe Chart), dass 2022 im Vergleich zu 2021 insbesondere das Thema „sichere Anstellung“ an Bedeutung gewonnen hat. Flexible Arbeitsbedingungen und die Förderungen der Work-Life-Balance bleiben nach wie vor die Dauerthemen der Generation Z.

Zum Schluss des heutigen Beitrages noch zwei kurze Blitzlichter:

Wie nutzt man eine kurze Auszeit am Tag im Rahmen einer Arbeitspause am besten? Viele greifen heute instinktiv zu Ihrem Smartphone, „flüchten“ in Social Media oder checken ihre Nachrichten oder News. Eine Studie der Kyoto Universität in Japan hat nun ergeben, dass Nichtstun vielleicht die beste Form der Ablenkung vom Arbeitsalltag ist. Die Probanden, die in karge Räume ohne Handy geführt wurden und auch nicht herumgehen oder lesen sollten (also „Nichtstun“), fühlten sich jedenfalls durchweg erholt und voller neuem Tatendrang. Vielleicht probieren Sie das ja für sich ebenfalls einfach mal aus.

Krisen überall, da könnte man befürchten, dass auch die Menschen aktuell voller Ängsten sind und vor allem auch Angst um ihren Arbeitsplatz haben. Dem ist einer Umfrage von Xing folgend aber offenbar nicht so. Unter den mehr als 3.000 Befragten stimmten 69% der Aussage zu, dass sie sich in ihrem aktuellen Job keine Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen müssen. Besonders ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über 56 Jahren waren mit mehr als 75% dieser Meinung. Der Arbeitsmarkt wird also – wohl auch aufgrund des überall herrschenden Fachkräftemangels – als sehr stabil eingeschätzt.

Viele spannende Themen begleiteten uns auch diesmal durch diesen Blogbeitrag. Der nächste Beitrag in dieser Reihe erscheint Ende Mai in meinem Blog. Bis dahin wünsche ich Ihnen allen eine gute Zeit.

In eigener Sache wie immer noch der Hinweis, dass die meisten der hier zitierten Studien in den Ausgaben 3 und 4/2023 von managerseminare veröffentlicht wurden.

Der MP Impuls zur Selbstreflexion vom 18.02.2023

Mein Klient wirkte schon am Telefon angeschlagen.
„Wie geht’s“? , fragte ich ihn freudig und zurück kam nur ein gequältes: „Geht so.“

So ließ denn unser nächster Coachingtermin auch nicht lange auf sich warten. Dem engagierten jungen Mann, Teamleiter in einem mittelständischen Unternehmen, finanzierte sein Chef ein Coaching, weil er einer seiner Leistungsträger wahr, sehr engagiert und loyal und sein Chef ihn unbedingt langfristig an das Unternehmen binden wollte.

In seinem Coaching wollte er mehr zu sich finden, um damit die Belastungen noch besser steuern zu können, insgesamt ausgeglichener zu sein und zu wirken. Wir waren auch schon gut vorangekommen und der schon am Telefon spürbare Rückschritt passte nicht so recht ins Bild.

Mit gesenktem Blick saß er also einige Tage später in meinem Coachingraum und sprudelte los:
„Ich schaffe gerade nix weg, ich komme gar nicht zu meiner Arbeit. Alle wollen etwas von mir und mit meiner Kollegin von der Beschaffung bin ich auch schon wieder „zusammengerauscht“. Die kriegt einfach die Dinge nicht auf die Reihe und löchert mich ständig mit Fragen. Mein Chef sorgt auch nicht für Klarheit, der müsste mal eine Ansage machen.“

Immer noch viel es meinem Klienten schwer, mich anzusehen und so fragte ich nochmal nach: „Ok, da gibt es also auf der Arbeit ein paar Rückfälle in alte Muster, das hatten wir ja alles schon einmal. Ist noch was, vielleicht im privaten Bereich?“

„Ja, das auch. Meiner Mutter geht es nicht gut, ich habe gerade viel zu organisieren und ich ärgere mich über meine Schwester, die kümmert sich um nichts. Alles bleibt an mir hängen. Und um ehrlich zu sein, am meisten ärgere ich mich über mich selbst – ich war durch unsere Coachings auf einem so guten Weg und jetzt fühlt es sich an, als hätte ich bislang gar keine Fortschritte gemacht. Das macht mich traurig und wütend.“

Nun lagen die Themen also auf dem Tisch und ich kannte sie alle bereits aus früheren Coachingsitzungen, was mich beruhigte. Mein Klient hatte so etwas wie einen „Rückfall“ in alte Verhaltensweisen und das möchte ich keinesfalls abtun. Für ihn war das eine schwierige Situation, mich aber beruhigte, dass keine neuen Baustellen aufgetaucht waren. Die hohen eigenen Ansprüche taten ihren Teil dazu, denn Rückschritte in seiner Entwicklung, so normal sie auch waren und dazugehörten, konnte meine Kunde immer nur sehr schwer akzeptieren. Der Kern aber lag wahrscheinlich mal wieder darin, dass er vergessen hatte, was ihm gut tat, der Akku war leer, so könnte man es bildhaft sagen. Ich hatte also eine Strategie.

„Ich weiß Rückschritte sind nichts für Dich, aber erinnerst Du Dich an die Grafik, die wir in einer unserer ersten Sitzungen gemalt haben?“, fragte ich ihn. Es war das simple Bild gewesen, dass sich alle Menschen für ihre Entwicklung eine linear steigende Gerade wünschen, der Verlauf meist jedoch eine heftige Zickzacklinie ist, die auch deutliche Ausschläge nach unten hat.

„Du meinst die rote gezackte Linie statt der grünen Geraden“, schmunzelte er. „Ja, ich sollte nicht so streng mit mir sein.“

Der Bann war gebrochen, sein Gesichtsausdruck hellte sich auf.
„Um ehrlich zu sein, ich würde sagen, Du bist schlicht urlaubsreif!“, rief ich ihm zu, um im Anschluss noch ein paar Fragen zu stellen.

„Wie oft hast Du in den letzten Wochen in Deinem Lieblingssessel gesessen und klassische Musik gehört?“ Das war eines seiner großen Hobbys, bei denen er sich entspannen konnte.

„Wie oft bist du spazieren gegangen und hast die Natur genossen? Wann warst Du das letzte Mal in der Sauna, die ja so magst, um Dich zu entspannen? Und wann hast Du das letzte Mal mit Deinem Kumpel an Eurem gemeinsamen Modellbauprojekt gebaut?“

Sie, liebe Leser, ahnen sicher die Antworten. In den letzten sechs Wochen hatte nichts davon stattgefunden.

Mein Klient hatte mich nun durchschaut, denn ich hatte zielgerichtet die Aspekte abgefragt, die wir in meinem ganzheitlichen Coachingansatz seinem Feld der „Ich-Zeit“ zugeordnet hatten. Also die Dinge, die er nur für sich und sein Wohlbefinden tat und die seine Kraftquellen waren. In den vergangenen Wochen hatte er ganz offensichtlich auf alle Ich-Zeit verzichtet und seine Reserven waren nun aufgezehrt. Kein Wunder also, dass er „auf dem Zahnfleisch ging“.

„Hör auf!“, blaffte er mich an und ich lächelte – Volltreffer.
„Du hast ja recht, ich habe mal wieder vollkommen vergessen, auf mich Acht zu geben und das ist das Ergebnis. Mist genau, mein altes Muster.“

Das war natürlich eine tolle Formulierung, denn wenn das sein altes Muster war, dann gab es auch ein neues und das konnten wir jetzt gemeinsam reaktivieren. Der Blick nach vorne war wieder möglich und so diskutierten wir die richtige Strategie für die nächsten Wochen.

„Für schwierige Aufgaben und Gespräche habe ich aktuell keine Kraft, ich muss erst den Akku wieder aufladen.“, so das Fazit meines Klienten.

Sein Weg war also für die nächsten zwei Wochen eine Art „Überdosis Ich-Zeit“ und ich musste gar nicht viel tun und lenkte nur mit ein paar Absicherungsfragen. Er nahm sich vor, die nächsten zwei Wochen drei Tage im Homeoffice konzentriert zu arbeiten und an allen Tagen um 16 Uhr Schluss zu machen. Er legte zwei Saunaabende ein und traf sich mit seinem Freund zu einem ausgiebigen Modellbauwochenende. Noch im Coachingraum kaufte er sich online eine neue Live-Aufnahme der Berliner Philharmoniker und strahlte bei dem Gedanken, sie bald anzuhören.

Es erschien mir zielführend, an diesem Tag nicht weiter auf die Lösungen, der natürlich noch im Raum stehenden Belastungen einzugehen. Er sollte dringend klärende Gespräche mit seinem Chef und auch mit seiner Schwester führen. Wir werden nochmal an seinen Delegationsfähigkeiten arbeiten, aber das alles hatte heute keinen Platz.

„Ok, die nächsten zwei Wochen sind also voll mit Ich-Zeit! Das gefällt mir, es klingt nach Auto an der Schnellladestation. Aber danach möchte ich Dich zeitnah wiedersehen, dann arbeiten wir an den Themen, die hinter der aktuellen Situation stehen.“, schlug ich ihm vor.

Und genau so machten wir es dann auch, wir verabredeten uns zwei Wochen später und mein Klient kam an diesem Tag ganz anders durch die Tür und so konnten wir die Themen sehr gut bearbeiten. Für diesen Impuls ist das jedoch nicht mehr von Belang.

Immer wieder erlebe ich in meiner Arbeit, dass Menschen scheinbar vergessen, auf sich Acht zu geben. Sie vergessen, was Ihnen gut tut und steigern sich in ihre Arbeit und ihre selbstdefinierten Probleme hinein. Eine Zeit lang geht das meist ganz gut, dann irgendwann fühlen sie sich vollkommen ausgelaugt und leer. Die Kräfte sind aufgebraucht und der Akku muss dringend aufgeladen werden, doch das geht nur, wenn man sich an seine Kraftquellen erinnert.

Nun also sind Sie an der Reihe:

Wenn Sie sich den eignen Kräftevorrat als Ladeanzeige eines Akkus vorstellen, auf welchem Ladezustand von 1 (so gut wie leer) bis 10 (vollständig aufgeladen) befinden Sie sich?

Wenn Ihr Akku ziemlich leer ist, sollten Sie ihn aufladen. Was sind denn Ihre Kraftquellen, die Ihnen guttun und dazu beitragen, den Akku aufzuladen?

Was davon wollen Sie zuerst angehen und wann ganz konkret?

Wovon sollten Sie aktuell eine Pause machen, um nicht noch mehr Akkuladung zu verlieren?

Brauchen vielleicht auch Sie mal wieder eine „Überdosis Ich-Zeit“?

Ich wünsche Ihnen ein schönes und entspanntes Wochenende!

New Leaders Club Podcast: Arbeitszeiterfassung als Pflichtaufgabe – ist das der richtige Weg?

Das Thema pro und contra Arbeitszeiterfassung wird aktuell intensiv diskutiert. Ist die gesetzliche Regelung sinnvoll oder sogar für viele eher demotivierend.

Kristin und ich diskutieren das Thema, das wie so oft mehr als nur eine Facette hat.

Hier ist der Link zu Spotify: New Leaders Club Podcast Folge 13

Natürlich findet Ihr uns auch auf fast allen anderen Podcast-Portalen.

Viel Spaß beim Anhören!

Arbeitswelt und Führung: aktuelle Trends und Umfragen, Ausgabe 28.01.2023

Egal zu welchem Kunden ich aktuell auch komme, das Thema MitarbeiterInnen finden und binden steht überall ganz oben auf der Agenda. Fachkräftemangel herrscht inzwischen in fast allen Branchen.

Zur Frage über welchen Weg man am besten an neue Mitarbeitende kommt, liefert ein Forschungsteam der Universität Konstanz eine wichtige, wenngleich für mich wenig überraschende, Erkenntnis. Kamen neue Mitarbeitende über ein Empfehlungsprogramm der eigenen Belegschaft, so lag nach 13 Monaten ein um 15% geringerer Personalwechsel vor, als ohne ein solches Programm. Die Studienautoren begründen dies damit, dass die angesprochenen Bewerber eine höhere Passung zu den angebotenen Stellen haben, was sehr nachvollziehbar ist. So verließen die auf diesem Weg Angeworbenen das Unternehmen dann auch um 45% seltener als andere Einsteiger. Empfehlungsprogramme in der eigenen Belegschaft stellen also unbedingt ein Nachdenkens wertes Modell zur Personalgewinnung dar.

Weitere Erkenntnisse zur Gewinnung neuer Mitarbeitender liefert auch eine Studie des Beratungsunternehmens Organomics. Die Studie befragte 4.750 Personen und ermittelte, dass neben dem Gehalt besonders die Work-Life-Balance und die Arbeitsplatzsicherheit von Bedeutung sind. Mit 73% bzw. 72% der Nennungen lagen diese Faktoren nur knapp hinter der Vergütung und deutlich vor z.B. der Unternehmens- und Führungskultur mit nur 57%. Themen, die in der Öffentlichkeit gerade „hip“ sind, müssen also keinesfalls die wirklich relevanten Entscheidungsfaktoren sein. Work-Life-Balance erleben wir hingegen seit Jahren als in der Bedeutung steigenden Einflussfaktor – allen voran in der Generation Z. Dass nach Corona und in der aktuellen Krisenlage das Thema Arbeitsplatzsicherheit von großer Bedeutung ist , kann ebenfalls nicht überraschen.

Auch die Ergebnisse einer aktuellen „Bullshit-Kommunikations-Studie“ der Organisationspsychologen Alexander Eila und Nico Rose zeigen, dass man es mit Begriffen auch übertreiben kann. Begriffe wie „agiles Mindset“ oder „Purpose“ kommen aktuell in fast jedem zweiten Satz vor, wenn es um moderne Unternehmensführung geht. Man könnte meinen, der Unternehmenszweck sei erst wichtig geworden, als man ihm den Begriff „purpose“ zugeordnet hat. Wird die Verwendung solcher Begriffe jedoch überzogen, so werden sie zu „Bullshit-Kommunikation“ und reduzieren dann das Arbeitsengagement und sorgen verstärkt Irritationen bei den Mitarbeitenden. Man kann also alles übertreiben und richtet damit oft mehr Schaden an, als man denkt.

Im Rahmen der Gewinnung neuer Mitarbeitender lohnt aktuell auch ein Blick auf die besonders nachgefragten Kompetenzen. In einer Studie hat die Bertelsmann Stiftung dafür mehr als 48 Millionen Stellenausschreibungen untersucht. Im Ergebnis zeigte sich, dass Kompetenzen, die nicht nur auf einen bestimmten Beruf abzielen, sondern von genereller Relevanz sind (transversale Kompetenzen) an Bedeutung gewonnen haben. Beispielsweise hat gegenüber der letzten Erhebung 2018 Frustrationstoleranz deutlich an Bedeutung gewonnen und war in 71% mehr Stellenanzeigen als Anforderung enthalten. Auch das Know-How zum Thema Datensicherheit wurde deutlich häufiger nachgefragt. Ähnliches gilt für die Fähigkeit, digitale Identitäten verwalten zu können (+33%). Natürlich stehen auf der Gegenseite auch Fähigkeiten, die weniger nachgefragt wurden, wie etwa Sprachkenntnisse (-23%) und Präsentationsfähigkeiten (-18%). Die Studienautoren gehen davon aus, dass aktuell vor allem das verstärkte Arbeiten im Homeoffice ein wesentlicher Einflussfaktor dieser Veränderungen ist.

Für mich recht überraschend, weil ich in meiner Coachingpraxis gerade eher das Gegenteil erlebe, ergab eine Studie des Personaldienstleisters Avantgarde Experts, für die mehr als 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer befragt wurden, dass sich viele Mitarbeitende offenbar im Job unterfordert fühlen. 41% gaben an, dass ihre Leistungspotenziale aktuell nicht ausgeschöpft würden. Gegenüber 2017 (17%) liegt damit mehr als eine Verdopplung vor! Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass Bore-Out genauso negativ ist wie Burn-Out, liegt damit keine gute Entwicklung vor. Dabei waren es besonders die jüngeren Menschen zwischen 18 und 34 Jahren, die sich unterfordert fühlten (47%). Greift man die sicher berechtigte Schlussfolgerung der Studienautoren auf, dann sollten Unternehmen sich mehr mit den Bedürfnissen ihrer Angestellten beschäftigen, denn immerhin 35% der Befragten waren in dieser Hinsicht mit ihren Arbeitgebern nicht zufrieden. Eine optimale Ausschöpfung des Leistungspotenzials liegt aber sowohl im Interesse der Unternehmen als der Mitarbeitenden.

Dazu passt auch eine Studie der Fa. Alight, die dafür 2000 deutsche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer befragt hat. 63% der Befragten erwarteten, dass ihrem Arbeitgeber ihr Wohlbefinden wichtig ist. Dabei rückten vor allem Angebote zur Stressbewältigung in den Fokus, die 78% der Studienteilnehmer wichtig waren. Das verwundert wenig, der 80% sahen sich derzeit mittlerem oder gar hohem Stress ausgesetzt und nur 41% waren mit ihrem geistigen und emotionalen Wohlbefinden zufrieden. Das Stress negative Folgen hat ist hinlänglich bekannt und wurde auch in dieser Studie deutlich, denn 42% klagten über eine niedrige Arbeitsmoral und mangelnde Motivation. Es gibt also durchaus viel Potential für die Arbeitgeber, doch ausschöpfen tun sie es derzeit offensichtlich noch nicht. Nur 31% der Studienteilnehmer waren der Ansicht, dass sich ihr Unternehmen bereits ausreichend um ihr Wohlbefinden kümmert. Gar nur 19% nahmen angesichts der gravierenden Veränderungen im Arbeitsumfeld der letzten Jahre eine positive Veränderung war. Es bleibt also noch viel zu tun.

Sollten wir tatsächlich in eine Rezession geraten, wird die Lage für viele Unternehmen nicht einfacher werden. Gerade im Mittelstand fühlen sich HR-Abteilungen darauf aber nicht besonders gut vorbereitet. In einer Studie des HR-Softwareunternehmens Personio haben nur ein Drittel der befragten Personaler angegeben, dass sie sich sehr gut darauf vorbereitet fühlten, im Falle einer Rezession die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens zu stärken. Ein Grund dafür könnte die hohe Arbeitsbelastung sein, denn fast zwei Drittel gaben an, dass seit Beginn der Pandemie die Mitarbeiteranfragen erheblich zugenommen haben. Jede zweite befragte Führungskraft im HR-Bereich beklagte außerdem bereits Budgetkürzungen. Sollen negative Wirkungen auf die Motivation und die Produktivität der Beschäftigten vermieden werden, so raten die Studienautoren dazu, sowohl persönliche als auch finanzielle Kapazitäten unbedingt bereitzustellen.

Nach wie vor sind viele Themen rund um unser Arbeitsleben sehr in Bewegung, neue Wege werden gesucht, viele Herausforderungen müssen angenommen werden und sind keinesfalls bereits gemeistert. Es wird sich also lohnen weiterhin einen Blick auf aktuelle Umfrageergebnisse zu haben. Der nächste Artikel und Podcast in meinem Blog dazu wird Ende März 2023 erscheinen.

Alle zitierten Studien wurden veröffentlicht in den Ausgaben 1/23 und 2/23 von managerseminare.

Besser fühlen mit Vogelgesang

Mich begeistern medizinische Forschungsergebnisse immer dann besonders, wenn sie uns einmal mehr zeigen, mit welch einfachen Mitteln wir uns etwas Gutes tun können.

Also, schon gewusst?

Das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin hat in einer Studie herausgefunden, dass sich bei Menschen, die sich Aufnahmen mit Vogelstimmen anhörten, depressive Verstimmungen, Ängste und paranoide Gedanken verringerten. In der Studie mit 300 gesunden Probanden konnte damit zum ersten Mal gezeigt werden, dass Vogelstimmen eine positive Wirkung auf paranoide Zustände haben – ganz im Gegenteil etwa zu Motorengeräuschen oder Verkehrslärm, die gegenteilige Wirkungen hervorrufen.

Der Gesang der Vögel führt also dazu, dass wir uns besser fühlen!

Für die Forschungsergebnisse war es übrigens egal, ob die Probanden den Vogelstimmen live in der Natur oder nur von einer Audioaufnahme lauschten. Da wir aber ja bereits aus zahlreichen anderen Forschungen wissen, wie gut uns der Aufenthalt in der Natur tut, kann ich Ihnen eigentlich nur raten: RAUS IN DIE NATUR!

Und? Schon geplant für dieses Wochenende?

PS.: Die Forschungen zur weiteren Details der Wirkung von Vogelstimmen werden natürlich fortgesetzt – wir dürfen gespannt sein, was da noch kommt.